Sherlock Holmes erhält Besuch von einer gewissen Mrs. Merrilow, die sich um ihre Mieterin Mrs. Ronder sorgt, von der sie erst einmal in sieben Jahren das Gesicht erblickte - ein Antlitz, das ihr das Blut in den Adern stocken ließ und so grauenhaft anzusehen ist, dass Mrs. Ronder stets einen Schleier trägt. Darüber hinaus scheint die Dame sich einer guten Gesundheit zu erfreuen, und doch nagt ein starker Kummer an der Seele der Frau, die sich von Sherlock Holmes Hilfe erhofft. Der Meisterdetektiv nimmt den Auftrag sofort an, hofft er doch mit der Unterstützung von Mrs. Ronder Licht in einen Kriminalfall zu bringen, der ihm vor einigen Jahren Rätsel aufgab.

"Die verschleierte Mieterin" ist die Vertonung der gleichnamigen Kurzgeschichte, die in der Sammlung "Sherlock Holmes’ Buch der Fälle" erschienen ist und zu den eher durchschnittlichen Erzählungen Doyles gehört. Dabei ist der Modus operandi dieses Falles gar nicht schlecht und von Maritim wirklich spannend inszeniert worden. Doch schlussendlich fragt man sich, welche Rolle Sherlock Holmes eigentlich zugedacht war. Nur als Beichtvater und Ratgeber? Eine Kostprobe seiner erstaunlichen Kombinationsfähigkeiten kann der gewitzte Kriminalist jedenfalls nicht anbringen, überrascht aber durch seine menschliche Anteilnahme. Die Autorin Imke Noack hat die Erzählung originalgetreu in ein kurzweiliges Skript umgewandelt und durch die lebensnahen Vergangenheitsszenen vermieden, dass dieses Problem zum reinen Kammerspiel wird, wie es in der literarischen Vorlage der Fall ist. Sherlock Holmes beweist in seinen Ausführungen einen schön trockenen, britischen Humor, den Christian Rode perfekt darstellt, wenn er über Tierpsychologie sinniert. Peter Groeger mimt Dr. Watson souverän und routiniert, kann aber keinesfalls derart auftrumpfen, wie in anderen Fällen, in denen er eine größere Rolle inne hat. Des Weiteren sind in dem Hörspiel Pia Werfel, Peter Weis, Reent Reins, Eckart Dux, Klaus Dittmann, Thomas Karallus und Karin Eckhold als verschleierte Mieterin zu hören. Alles in allem eine sehr schöne und treffende Besetzung, die zu den Charakteren passt. Die Geschichte wurde zudem nicht unnötig aufgebauscht und bietet mit knapp 35 Minuten spannende und kurzweilige Krimiunterhaltung für zwischendurch, dabei unterlegt mit einem gediegenen Soundtrack, der nicht aufdringlich und voluminös klingt, aber dennoch eine angenehme Atmosphäre zu schaffen vermag.

Booklet und Titelgrafik sind wenig aussagekräftig und auch inhaltlich hat der Einleger nicht viel zu bieten. Der Ausschnitt des Gesichtes zeigt zudem keinerlei Anzeichen der in der Erzählung genannten "Ruine", als die das Antlitz von Mrs. Ronders im Hörspiel bezeichnet wird.

Fazit:
Eher unspektakulärer Fall für Sherlock Holmes in gewohnt souveräner Inszenierung. Sprecherleistung und Soundtrack sind von guter Qualität und versprechen eine knappe halbe Stunde beste Kriminalunterhaltung.