Moon Blake führt ein sehr ungewöhnliches Leben - zusammen mit seinem Vater lebt der Zehnjährige in einer fuchsbauähnlichen Behausung mitten in den Wäldern Alabamas. Vater und Sohn führen ein vollkommen unabhängiges und entbehrungsreiches Leben, wie es vor langer Zeit geführt wurde: Die beiden versorgen sich selbst durch Anbau von Gemüse, Fallenstellen und Jagen, sie stellen alle Dinge des tägliches Bedarfs selbst her und pflegen keinen Kontakt zu anderen Menschen. Der seltene Besuch bei einem Lebensmittelhändler im weit entfernten Ort ist für Moon immer wieder ein Höhepunkt, denn die Welt außerhalb des Waldes ist für den Jungen fremdartig und aufregend.
Doch dann hat Moons Vater einen Unfall und stirbt an den Folgen. Vor seinem Tod trägt er Moon auf, nach Alaska zu gehen und dort nach Menschen zu suchen, die genauso abgeschieden leben wie sie.
Moon setzt alles daran, diesen letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen - doch schon bald sind ihm das Jugendamt und die Polizei auf den Fersen. Moon landet im Jugendheim, gibt seinen Traum, sich zu Fuß nach Alaska durchzuschlagen, aber nicht auf. Gemeinsam mit Kit, der sein erster richtiger Freund wird, macht er sich auf zum Abenteuer seines Lebens …

"Alabama Moon" ist eine sehr faszinierende Abenteuergeschichte, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen in ihren Bann ziehen wird. Wo Kinder das Leben von Moon mitten in den Wäldern wahrscheinlich aufregend finden, kommen erwachsene Hörer schnell ins Grübeln - denn die Geschichte ist eigentlich ganz schön fies: Moons Vater ist vollkommen paranoid und hat seinem Sohn eingebläut, er müsse sich "vor der Regierung" in Acht nehmen, denn jeder wolle einem etwas Böses. Nur in den Wäldern könne man noch frei leben - die Geschichte spielt wohlgemerkt in den 1980er Jahren.
Als Moons Vater dann einen schweren Unfall hat, weigert er sich, einen Arzt aufzusuchen, nimmt lieber seinen Tod in Kauf und lässt seinen zehnjährigen Sohn allein zurück. Was hier erzählt wird, ist keine Kuschelgeschichte, sondern ein waschechtes, teilweise knallhartes Abenteuer. Entlarvend stellt Autor Watt Key das System dar, in dem ein Kind aus begreiflichen Gründen nicht so leben darf, wie es möchte, sondern das von den Autoritäten als bösartiges Wolfskind dargestellt und umgehend in ein Heim gesteckt wird.
Die Schilderungen vom naturverbundenen Leben, das Moon und sein Vater tief in den Wäldern führen und das der Junge später allein fortführt, ist nicht verklärt romantisch, sondern realistisch und vor allem sehr interessant, denn schließlich dürfte kaum ein Kind heutzutage wissen, wie man jagt, angelt oder seine Kleidung selbst herstellt. Wer weiß schon, wie man einen Speer zum Fischfang herstellt, wie man ein Feuer entfacht oder welche Pflanzen und Wurzeln man bedenkenlos essen kann?
Moon erzählt diese aufregende und manchmal auch traurige Geschichte aus seiner Perspektive. Dabei wirkt er nicht wirklich kindlich - was aber durchaus passt, denn schließlich lebt der Zehnjährige praktisch wie ein Erwachsener, näht sich seine eigene Kleidung und kann selbst für sich sorgen. Die Welt um ihn herum versetzt ihn in Erstaunen - zwar kennt er Fernsehen, ist aber noch nie in einem Auto gefahren.

Gelesen wird dieser Roman auf fünf CDs, erschienen bei Oetinger Audio, von Jens Wawrczeck, der vor allem bekannt ist durch seine Rolle als Peter bei den Drei Fragezeichen und als "Spence" in King of Queens. Für einen Erwachsenen hat Wawrczeck eine irritierend hohe Stimme, die aber wunderbar zu dem zehnjährigen Moon passt. Die Lesung ist herrlich mitreißend; der Sprecher findet immer genau den richtigen Ausdruck und die richtige Stimmung - mal rührt er den Hörer, dann wieder erzeugt er atemlose Spannung.

"Alabama Moon" ist eine superspannende Abenteuergeschichte, die einen Hauch von Jack London und Mark Twain verströmt. Das Hörbuch berichtet vom Anderssein, von Einsamkeit, Freundschaft und Gemeinschaft und wird junge Hörer ab zehn Jahren, die Abenteuer lieben, mit Sicherheit begeistert. Auch Erwachsene werden die Geschichte mögen, den "Alabama Moon" besitzt nebenbei auch viel Tiefe und sozialkritische Momente.
Der Stoff wird derzeit übrigens aufwändig verfilmt.