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Neil Gaimans Welt vom Sandman ist einzigartig. Er hat Geschichten mit philosophischer Tiefe erschaffen, die er von unterschiedlichen Zeichen-Künstlern als Comics umsetzen lies. Und auch viele Jahre nach ihrer Entstehung in den 1990er Jahren haben sie nichts von ihrem Reiz verloren. Deswegen veröffentlicht Panini nun die komplette Reihe als Neuauflage im Softcover und macht die vergriffenen Bände so erneut für ein großes Publikum erreichbar. "Fabeln und Reflexionen" ist der sechste Band der Serie, doch man kann sie alle auch für sich lesen, ohne die Vorgeschichte kennen zu müssen. Für den Sandman, den Herrn der Träume, für Dream, ist die Zeit bedeutungslos, was sich auf diese Weise auch auf die Geschichten überträgt.
Neil Gaiman nimmt uns mit auf eine Reise in neun Traumgeschichten, von denen jede für sich spricht. Und doch haben sie etwas gemeinsam, nämlich die Suche nach dem Sinn, die Suche nach der Wahrheit, die Suche nach sich selbst. "Höhenangst" ist die erste Erzählung. Sie ist kurz gehalten, fasst aber die Quintessenz dieses Bandes sehr schön zusammen. Der Protagonist muss lernen, dass es nicht nur zwei Möglichkeiten für ihn gibt. Er kann nicht nur aufwachen oder sterben, er hat eine Wahl ... Diese lebensbejahende Erkenntnis zeigt sich auch in den folgenden Episoden, wenn auch auf unterschiedlich optimistische Weise. In "Drei September und ein Januar" hält sich ein Mann durch seinen Wahn gesund, in "Thermidor" und "Orpheus" verfolgen wir zwei Lebensabschnitte des eben genannten. "Die Jagd" ist eine ungewöhnliche Geschichte über das Volk der Werwölfe und ihre Art zu lieben. Anschließend lässt uns Gaiman einen wichtigen Tag in Kaiser AugustusÂ’ Leben mitverfolgen, den er unbemerkt bei seinem Volk verbringt. Danach reisen wir mit Marco Polo an eine der "Weichen Stellen", die man in der Wüste findet, und die die Grenze zwischen realer und Traumwelt markiert. In "Das Parlament der Krähen" erzählen sich Kain, Abel und Eva ihre Geschichten. Den Abschluss bildet eine Geschichte, die den Märchen um "Tausendundeine Nacht" entsprungen sein könnte.
Alle Episoden haben gemeinsam, dass der Herr der Träume in ihnen eine Rolle spielt. Mal ist sie von kleiner, mal von großer Wichtigkeit, doch immer markiert sie für den Protagonisten einen wichtigen Meilenstein in seinem Leben.
Für einen Comic recht ungewöhnlich ist, dass Neil Gaiman sehr viel Wert auf Texte legt. Seine Worte sind kunstfertig und bleiben nicht im geringsten hinter den Bildern zurück. Ganz im Gegenteil gibt es sogar Geschichten, bei denen sie deutlich im Vordergrund stehen, so zum Beispiel die Erzählung um Augustus, in der man die meiste Zeit nur die beiden Protagonisten auf einer Treppe sitzen sieht, während sie sich unterhalten. Aber genau daher rührt die Tiefe seiner Geschichten. Man merkt immer, dass unter der sofort sichtbaren Oberfläche noch eine Botschaft steckt. Manchmal ist sie offensichtlich, an anderer Stelle nur schwer zu fassen.
Der Sandman begeistert seine Leser zu Recht, denn selten konnte man in Comics so viel Tiefe finden. Umso löblicher ist es, dass die Reihe nun durch ihre Neuveröffentlichung erneut einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. Für jeden der Bände kann man eine klare Kaufempfehlung aussprechen. "Fabeln und Reflexionen" dürfte vor allen Dingen denjenigen Lesern gefallen, die historische Fakten vermischt mit Fiktion mögen.