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Apfelwein gehört zum Frankfurter sozialen Leben. Man genießt ihn aber eher selten zu Hause, sondern in entsprechenden Wirtschaften und in passender Gesellschaft, und diese Äppler-Wirtschaften haben alle ihr ganz eigenes Ambiente, eine individuelle Klientel und oft auch eine einzigartige Geschichte.
Im vorliegenden Buch erzählen eine Reihe prominenter Frankfurter - angestammte, zugereiste, weggereiste - persönliche Geschichten rund um ihre jeweilige Lieblings-Äppler-Kneipe. Was herauskommt, ist eine ungewöhnliche Anthologie, die man als Apfelweinwirtschaftenführer sehen kann, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ebenso aber als ein Stück etwas ungewöhnlicher Literatur. Einleitende Texte vermitteln die notwendige und selbstverständlich interessante Historie zum Apfelwein.
Die meisten der vorrangig auf Touristen eingestellten Sachsenhäuser Kneipen kommen nicht vor, dafür allerlei weniger bekannte Adressen aus den Stadtteilen. Beispielsweise stellen Silke Wustmann und Mario Gesiarz die drei Gaststätten auf dem Höchster Schlossplatz vor, und Henner Drescher präsentiert "Zur Krone" mit dem Spitznamen "Riwweler" in Sossenheim, wo man allerlei Originalen begegnen kann. Stadtteile wie Schwanheim, Eckenheim und Bornheim fehlen ebenso wenig wie ein "Exot" aus Neu-Isenburg. Und natürlich ist Sachsenhausen stark vertreten, wenn auch eben, von Ausnahmen wie dem "Gemalten Haus" abgesehen, mit den nicht unbedingt allzu touristischen Adressen.
Ganz nach Veranlagung und persönlichem Stil schildern die Autoren ihre bevorzugte Äppler-"Location" salopp-spritzig, passend zum Stöffchen, liebevoll-nachdenklich bis hin zum leicht Sentimentalen, humorvoll-spöttisch-launig mit einem kräftigen Schuss Selbstironie, mit Betonung auf der Sachlichkeit oder regelrecht "literarisch". Wozu der Umstand passt, dass auch Marcel Reich-Ranicki seinen Auftritt hat, wenngleich indirekt, ebenso wie Heinz Schenk - und es wird sogar die Frage geklärt, ob der Letztgenannte nun wirklich Riesling im Bembel hat, wie man es ihm unterstellte, vielleicht doch Äppler oder etwas ganz anderes.
Die Beiträge umfassen je etwa zwei Doppelseiten, wovon ein guter Teil aus Fotos besteht, teils aktuell, wobei der Frankfurter manchem Bekanntem begegnen wird, teils historisch. Denn Historie haben, wie schon erwähnt, viele der aufgeführten Lokalitäten zu bieten, nicht nur "Oma Rink", heute ein Szene-Lokal ohne die natürliche Patina, die ihm in Jahrzehnten von der mittlerweile verstorbenen Lulu Rink verliehen wurde.
Originellerweise haben nicht alle "Beiträger" die erwartete Affinität zum Apfelwein, nein, manche verabscheuen ihn sogar und trinken in ihrer Lieblings-Äppler-Wirtschaft Bier oder etwas anderes Artfremdes. Vereinzelt handeln die Geschichten sogar von einer Möchtegern-Liebe zu einem Lokal. Rund um den Apfelwein gibt es eben nichts, was es nicht gibt.
Wer vor der Lektüre nicht so ganz begreifen konnte, was die Frankfurter zu diesem säuerlichen Gebräu aus Fallobst hinzieht, kommt des Rätsels Lösung dank der aparten Erzählungen definitiv näher. Missionarische Absichten bestehen nicht. Jedenfalls nicht vordergründig. Man kann jedenfalls viele Anregungen zum Ausgehen aus diesem Buch beziehen, zum Leute-Beobachten, zum Genießen ursprünglicher hessischer Lebensart. Bevorzugt mit einem Schoppen Äppler. Notfalls geht es auch ohne. Nicht mal der Handkäs ist obligatorisch.