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Friedrich Dürrenmatts zweiaktige Komödie spielt in einem noblen Sanatorium. Nebst allerlei Größen aus Wirtschaft und Politik findet man unter den Patienten auch drei Physiker.
Das Stück beginnt mit den Untersuchungen eines Kriminalinspektors im Sanatorium, denn einer der Physiker, der sich für Einstein hält, hat die ihn betreuende Krankenschwester getötet. Ganz Ähnliches ist kurze Zeit zuvor schon einmal passiert: Das Opfer war ebenfalls eine Krankenschwester, der Täter ein weiterer Physiker, der meint, Newton zu sein.
Bald lernt der Hörer auch den dritten Physiker kennen. Dieser heißt Möbius und hat angebliche Begegnungen mit dem König Salomo. Möbius lebt schon viele Jahre im Sanatorium. Nachdem er den Besuch seiner mittlerweile geschiedenen Frau, der gemeinsamen Kinder und des neuen Mannes seiner Frau durch wüste Beschimpfungen beendet hat, gesteht ihm "seine" Krankenschwester ihre Liebe und teilt ihm mit, welche Pläne sie für ein gemeinsames Leben ausgearbeitet und sogar von der Leiterin des Sanatoriums absegnen lassen hat. Vergeblich versucht Möbius, ihr dies alles auszureden. Schließlich tötet er sie.
Nun treffen die drei Physiker aufeinander, und es stellt sich heraus, dass keiner von ihnen verrückt ist. Möbius hat sich in das Sanatorium zurückgezogen, weil er die "Weltformel" entdeckt hat, die der Menschheit unglaubliche Mittel zur Nutzung neuer Energien und andere physikalische Möglichkeiten an die Hand gibt, und weil ihm bewusst ist, dass dies den Menschen nicht zum Guten gereichen wird. "Einstein" und "Newton" sind Physiker, die für den Geheimdienst zweier feindlicher Mächte - man kann angesichts des Entstehungsjahres 1962, mitten im Kalten Krieg, leicht erkennen, welche gemeint sein dürften - versuchen sollen, Möbius zu entführen und dessen Erkenntnisse für ihr jeweiliges Land beziehungsweise dessen Ideologie nutzbar zu machen.
Möbius gelingt es, die beiden davon zu überzeugen, dass auch sie als Wissenschaftler Verantwortung für die Menschheit tragen und folglich mit ihm zusammen weiterhin Geisteskranke mimen müssen, damit ihr Wissen nicht nach außen dringt. Aber da nimmt die Komödie eine für Dürrenmatt typische, verblüffend-absurde Wendung.
Dieses Stück ist einer der berühmtesten Appelle an das Gewissen und die Verantwortung des Wissenschaftlers; zur Zeit der Entstehung von "Die Physiker" waren es vor allem ebendiese, deren Entdeckungen die Atombombe möglich gemacht hatten. Wie erwähnt, schrieb Dürrenmatt sein Stück in der heißen Phase des Kalten Krieges. Diesen gibt es nicht mehr, die Angst vor Atombomben ist weitgehend in den Hintergrund gerückt; heute stehen jedoch ebenfalls Naturwissenschaftler in der Verantwortung, zunehmend freilich Biochemiker und Genetiker.
Mittels Groteske und Überzeichnung hat Dürrenmatt seine meisterliche Kriminalkomödie gestaltet, die freilich nur vordergründig "lustig" ist, denn die Philosophie, die dahinter steckt, lässt sich leicht begreifen und nachvollziehen. Die darin enthaltene Fortschritts- und Wissenschaftsskepsis hat auch nach fast einem halben Jahrhundert an Aktualität nichts eingebüßt.
Kaum ein Autor könnte ein absurdes Ende als abschließenden Paukenschlag derart glaubwürdig gestalten wie Dürrenmatt, dem man es gern abnimmt. Auch hat die von Dürrenmatt gewählte Sprache ihren Reiz. Sachlich-kühl treten seine Figuren auf, selbst wenn sie emotional erhitzt sind, mit einer sonderbaren Distanziertheit und etwas antiquierter Sprache, was den Eindruck des Grotesken nur verstärkt.
Den zahlreichen Sprechern gelingt es, diesen Eindruck und die daraus resultierenden Stimmungen herausragend zu vermitteln. Jeder Einzelne füllt seine Rolle aus; die Stimmen in den Hauptrollen haben zudem Wiedererkennungscharakter. Auch die sparsam, aber zielgenau eingesetzte Geräuschuntermalung einschließlich "Einsteins" Geigenspiel verleiht Authentizität, unterstützt aber zugleich die Atmosphäre des Absurden, die über dem gesamten Stück liegt.
Die beiden CDs befinden sich in Kunststoffhalterungen, die in eine Klapphülle aus Karton integriert sind. Leider besteht das Booklet nur aus Produktwerbung; gern hätte man wohl noch ein paar Informationen zum Stück gehabt.
Ein ausgezeichnetes Hörspiel, das Dürrenmatts speziellen Humor ebenso deutlich wiedergibt wie das zentrale Anliegen des Autors.