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 Aus dem Schattenreich

Erzählungen


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Die Beliebtheit der phantastischen Literatur ist nicht erst mit dem Aufkommen romantischer Vampirromane in den letzten Jahren entstanden. Schon Hoffmann, Vernes und Poe unterhielten zahllose Leser mit ihren Kurzgeschichten und Romanen in diesem oft belächelten und selten als anspruchsvolle Literatur wahrgenommenen Genre. Aber nicht nur die westliche Phantastik-Literatur musste lange Zeit um ihre Daseinsberechtigung kämpfen; dasselbe Schicksal traf auch asiatische Schriftsteller. So wurde Hyakken Uchida, der 1971 verstarb, lange als Geheimtipp gehandelt und erfuhr erst nach seinem Tod die angemessene Beachtung. Heute gilt er als einer der beliebtesten Autoren Japans.

Der als Exzentriker geltende Uchida fand im Rahmen des Projekts zur Veröffentlichung japanischer Literatur (JLLP) im Auftrag des japanischen Amts für kulturelle Angelegenheiten nun auch den Weg nach Deutschland, was sicher zum Teil auch an seiner Arbeit als Germanist an der Kaiserlichen Universität Tokio liegt. „Aus dem Schattenreich“ birgt eine Sammlung von 18 seiner Kurzgeschichten, deren Inhalte zwischen düsterer Phantastik und bizarrem Humor verankert sind.

In jeder der Geschichten begleitet der Leser einen Ich-Erzähler auf seltsamen Reisen, die in Welten irgendwo zwischen Realität und Traum angesiedelt sind. So wandert er in Feuerwerk auf einem Hafendamm dahin, trifft eine Frau, die ihm bekannt vorkommt, und geht mit ihr zusammen weiter, bis sie an einen Korridor gelangen, in dem sie nicht wieder umkehren können … In Das Fabeltier hat sich der Ich-Erzähler aus unerfindlichen Gründen in ein Mischwesen, bestehend aus dem Körper einer Kuh und dem Gesicht eines Menschen, verwandelt und soll nun eine Prophezeiung verlautbaren, wie es Sitte ist. Aber nach einer solchen Prophezeiung wartet nur noch der Tod auf ihn – ist das eine Prophezeiung wert? Unheimlicher geht es in Eidechsen zu: Der Ich-Erzähler besucht mit einer Dame eine Schaubude, in der man zusehen kann, wie ein Bär eine Kuh reißt. Doch dann läuft alles entsetzlich schief … Schattenreich berichtet von dem Ich-Erzähler, wie er in einem Imbissladen dem Gespräch einiger Männer über eine Wespe lauscht, und plötzlich erkennt er einen der Sprechenden wieder …
Den Kurzgeschichten schließen sich interessante Anmerkungen zu den einzelnen Storys, ein Nachwort der Übersetzerin Lisette Gebhardt sowie eine Inhaltsangabe an.

Die hier versammelten Geschichten sind von angenehmer Kürze und entsprechend rasch zu Ende gelesen. Dennoch bietet es sich an, jede mehrmals durchzulesen, denn trotz ihrer Einfachheit und Kürze beinhalten die Storys so viele Anspielungen auf japanische Traditionen und Aberglauben, dass Leser, die sich mit der japanischen Literatur noch nicht auseinandergesetzt haben, zunächst keinen Sinn erkennen werden. Hier helfen zumeist die Anmerkungen am Ende des Buches weiter, die viele Elemente wie den in verschiedenen Geschichten wiederkehrenden Damm, das Bellen eines Hundes oder bestimmte japanische Mythenfiguren erklären und im Kontext verständlich machen. Auch das Nachwort gibt dem Leser viele interessante Informationen über Autor und Werk an die Hand, die das Verständnis erleichtern.
So gerüstet, bieten die einzelnen Geschichten eigenwillige, aber gute Unterhaltung. Die kurzen Erlebnisse des Ich-Erzählers ziehen den Leser in eine bizarre Welt, die weder real noch völlig phantastisch ist. Es ist eine surreale und diffuse Welt, die bevölkert ist von dem Übernatürlichen, die Unbehagen hervorruft und manchmal auch augenzwinkernd dargestellt wird. Nicht jede Geschichte entwickelt einen so intensiven Sog wie Treibholz, in der es um einen Mann geht, der eine Brieftasche findet und sich fortan wie ein gemeiner Dieb fühlt, doch geht Uchida an so viele verschiedene Themen heran, dass für jeden Leser etwas dabei sein wird. Das Erzähltempo passt sich den Geschehnissen an, die Sprache ist unaufgeregt, Uchida hält sich nicht mit unwichtigen Details auf, Namen oder Orte werden nur selten genannt. So wird der Eindruck, in einer unwirklichen Welt unterwegs zu sein, noch einmal verstärkt.

„Aus dem Schattenreich“ ist ungewöhnliche Phantastik-Literatur aus japanischen Landen. Durch die vielen Anspielungen auf japanische Mythen und Traditionen sei diese Sammlung an Kurzgeschichten eher Lesern empfohlen, die sich mit solchen Themen bereits auseinandergesetzt haben. Aber auch solche, die sich mit der Phantastik im Allgemeinen gern beschäftigen, sollten einen Blick riskieren – es lohnt sich.

Tina Klinkner



Hardcover | Erschienen: 4. Mai 2009 | ISBN: 9783421044228 | Originaltitel: Meido | Preis: 17,95 Euro | 173 Seiten | Sprache: Deutsch

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