Media-Mania.de

 DSA-Roman, Band 26: Der Lichtvogel

Elementare Gewalten, 1. Teil

Serie: DSA-Roman, Band 26
System: Das Schwarze Auge
Autoren: Hadmar von Wieser
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Brutalität
Spannung
Der Allgott Los blickt auf Aventurien und erneuert diesen Blick jedes Jahr, gleichbedeutend mit der Erneuerung des Zeitalters. Symbolisiert wird dieses Ereignis dadurch, dass Los am ersten Mittag des neuen Jahres in der Nähe des Konzils der Elemente im Raschtulswall einen Vogel aus Licht im Rahmen einer elementaren Zeremonie vergehen und erneuert aus einem goldenen Ei, dem Allei, schlüpfen lässt. Gut ein Jahr, nachdem der finstere Beschwörer und Dämonenmeister Borbarad wieder auf die Welt gekommen ist und mit seinen Heerscharen Tobrien und die Warunkei im Nordosten des aventurischen Kontinents erobert hat, wird zu diesem göttlichen Ereignis erstmals aventurische Prominenz der Menschen, Zwerge und Elfen eingeladen. Der albernische Markgraf Raidri Conchobair, Schwertkönig und der größte lebende Held Aventuriens, ist dem Ruf ebenso gefolgt wie der tulamidische Händler/Schmuggler Ruban ibn Dhachmani, die junge Hexe Morena, der Auelf Tenobaal und Prinz Farmosch, Sohn des Fanderam, von den Angroschim.
Endlich ist es soweit, der Lichtvogel erscheint und vergeht, und dann geschieht das Unfassbare: Aus dem Limbus erscheinen der von Borbarad ausgesandte Nachtdämon und weitere unselige Kreaturen, und es gelingt ihnen trotz heftiger elementarer und bewaffneter Gegenwehr, das Allei zu entführen.
Der Nachtdämon steuert, da er mit dem Ei nicht durch den Limbus kann, auf dem Luftweg auf Warunk zu, dem Zentrum der dämonischen Mächte. Nach dem ersten Schock nimmt man die Verfolgung und den Kampf mit Hilfe von Dschinnen auf. Über Warunk werden die Helden von dem untoten Drachen Razzazor aufgehalten und dezimiert, bevor sie landen können. Nachdem die Überlebenden in die Stadt eingedrungen sind, müssen sie bald feststellen, dass der Nachtdämon das Allei gar nicht nach Warunk gebracht hat. Nun ist guter Rat teuer, und genau den will man sich im Ehernen Schwert bei jemandem holen, der sich auskennen sollte ...

Die Darstellung der einzelnen Figuren ist von Wieser gut gelungen, soweit es die verschiedenen Eigenheiten ihrer Rassen und Kulturen anbelangt: Raidri erzählt in teils militärischem, teils sarkastisch-abgeklärtem Tonfall, Ruban bringt tulamidische Schnörkel mit ein, Farmosch spricht bisweilen von sich in der dritten Person, der Elf ist geheimnisvoll und bekommt vom Autor oft elfische Worte in den Mund gelegt und die Hexe ist frech, verspielt und schlau. Sonderlich in die Tiefe geht es bei keinem der Charaktere.
Von Wieser nimmt sich anfangs so viel Zeit mit der Entwicklung der Geschichte und der Vorstellung seiner Figuren, dass alleine die Lichtvogel-Zeremonie erst nach über achtzig Seiten beginnt. Das ist zwar löblich, zieht aber auch die Erzählung ein wenig zäh in die Länge, und am Ende fragt man sich, warum zum Beispiel am Anfang Raidris Aufenthalt bei den Ferkinas so ausführlich behandelt wurde. Und so geht die recht geradlinige Erzählung dann auch weiter: Letztlich sind es nur drei große Schauplätze, und die Heldenaktivitäten werden dort sehr detailliert beschrieben.
Hierfür hat der Autor sich zu einem Experiment entschlossen: Die Geschichte wird abwechselnd aus drei verschiedenen Perspektiven jeweils in der Ich-Form erzählt, nämlich von Raidri, Ruban und Farmosch, von letzterem im Präsens. Schon das deutet an - und damit wird sicher kein allzu großartiges Geheimnis verraten -, dass der Zwerg nicht soweit kommt, dass er rückblickend erzählen könnte, sondern schon recht bald abtritt. Allerdings bleibt der Sinn dieser dritten Erzählperspektive aus genau diesem Grund im Dunkeln, aus Morenas Sicht hätte das Ganze mehr Sinn gemacht, weil sie bisweilen Alleingänge unternimmt und generell oft genug eine wichtige Rolle spielt - was auch ein wenig für ihr Quotenfrau-Dasein entschädigt. Bisweilen unterläuft dem Autor der Fehler, Gegebenheiten, die zum Zeitpunkt des Erzählens immer noch aktuell sind, dennoch in die Vergangenheitsform der Erzählung einzubinden - ein Beispiel ist der Satz "Das Rind galt uns Tulamiden als besonders edles Tier, ein Symbol für Reichtum, Stärke und Fruchtbarkeit.", eine Einstellung, welche die Tulamiden seitdem sicher nicht abgestreift haben.
Dieser Satz ist überdies auch beispielhaft für eine generelle Eigenart des Autors, die den ganzen Roman durchzieht. Von Wieser scheint die bisweilen dürftige Aventuriendarstellung anderer DSA-Autoren wettmachen zu wollen, indem er alles mögliche erklärt und immer wieder Informationen zu Städten, Ländern, Tieren, Pflanzen, Bräuchen und dergleichen mehr einflicht, immer in den Worten der erzählenden Figuren, die scheinbar alles wissen und nicht immer alles erklären - wer kann sich schon etwas unter einem "maraskanischen Schwertsprung" vorstellen?
Weiterhin bekommt man in diesem Roman so viel Wissen über die grundlegenden Strukturen und Prinzipien der aventurischen Welt, dass es einem diese mysteriöse Fantasywelt beinahe entzaubert. Jedoch bleibt das bei einer solchen Geschichte schlichtweg nicht aus, so dass manches Wissen bedauerlich, das Ganze aber akzeptabel ist. In diesem hochrangigen und oft schwer durchschaubaren Informationsgehalt liegt auch die hohe Wertung beim Anspruch begründet.
Je größer die Geschichte, desto größer müssen auch die Helden sein, und desto mächtiger sind auch ihre Hilfsmittel. Der Autor manövriert aber seine Figuren noch haarscharf am Superhelden-Image vorbei, indem er oftmals die Nichtigkeit der Menschheit im Angesicht der Weltenschöpfung betont, was ihm vor allem im Ehernen Schwert und am Ende gelingt.
Weiterhin seltsam ist, dass von Wieser die Geschichte in kleinen Häppchen erzählt, will heißen, die Erzählung setzt sich aus vielen kurzen Passagen zusammen, die jeweils durch Leerzeilen voneinander getrennt sind und bisweilen nur wenige Zeilen umfassen. Dadurch wirkt die Geschichte abgehackt und würgt aufkommende Hochspannung immer wieder ab.
Dennoch ist das Buch unterhaltsam. Die Geschichte fordert alles von den Helden, beim Showdown klebt das Buch geradezu an den Händen, und ein besonderes Highlight, auch wenn er nur einen vierseitigen Auftritt hat, ist die Zwischenlandung beim Erzmagier Rakorium in Festum.

"Der Lichtvogel" ist leidlich spannende, streckenweise schwer verständliche und etwas träge beginnende High-Fantasy-Kost im Rahmen des Wirkens Borbarads auf Aventurien. Hadmar von Wieser wirkt seit Langem an der Gestaltung dieser Welt mit, weiß viel und bringt dieses Wissen gnadenlos und teilweise im Überfluss in seinem ersten DSA-Roman unter. Handwerklich muss sich der Autor in mancher Hinsicht noch weiterentwickeln. Die Helden sind sympathisch, besonders der Elf Tenobaal scheint mir gut gelungen.
Nach diesem Roman fragt man sich unweigerlich, ob es in Aventurien jemals ein größeres Abenteuer an bedeutenderen Schauplätzen zu bestreiten geben wird als dieses.

Stefan Knopp



Taschenbuch | Erschienen: 1. Januar 1997 | ISBN: 3453126793 | 286 Seiten | Sprache: Deutsch

Werbung

Dieser Artikel könnte interessant sein:

Zu "Der Lichtvogel" auf Amazon

Hinweis: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen.



Ähnliche Titel
NachtrichterDer GöttergleicheMond über PhexcaerHeldenschwurSteppenwind