Endet ein Strafverfahren nicht in einem Freispruch oder einer Einstellung, muss für einen festgestellten Verstoß gegen das Strafgesetz eine Sanktion verhängt werden. Das deutsche Strafrecht kennt im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsordnungen ein vergleichsweise begrenztes Spektrum an möglichen Sanktionen. Der Gesetzgeber macht dem Rechtsanwender dabei gesetzliche Vorgaben unter welchen Voraussetzungen er eine Art von Sanktionen verhängen darf sowie in welchem Rahmen sich die Sanktionen bewegen dürfen. Für die konkrete Auswahl einer von mehreren möglichen Sanktionen sowie deren konkrete Zumessung im Rahmen des gesetzlichen Rahmens gibt es dagegen wenige gesetzlich Vorgaben. Der Würdigung der Tat und des Täters durch den Tatrichter kommt dabei erhebliche Bedeutung zu. Freilich kann der Tatrichter die Strafe nicht aus dem hohlen Bauch zumessen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Rechtswissenschaften haben vielmehr Kriterien entwickelt, anhand derer die Zumessung zu erfolgen kann. Dieses Buch vermittelt dem Rechtsanwender einen vertieften Einblick in das Sanktionssystem und die Kriterien der Strafzumessung.

Nach einem kurzen Überblick über kriminologische und kriminalpolitische Rahmenbedingungen des Sanktionssystems wird eingehend auf circa 100 Seiten das im deutschen Recht dem Rechtsanwender zur Verfügung stehende Instrumentarium vorgestellt. Dabei bilden die alleine in Deutschland vorgesehenen Strafen, Geld- und Freiheitsstrafe (sogenannte Hauptstrafen), den Schwerpunkt der Erläuterung. Daneben werden auch die immer wichtiger werdenden sogenannten sonstigen Folgen einer Verurteilung, zum Beispiel die Einziehung von Tatmitteln oder den Verfall von durch rechtswidrige Taten erlangten Vermögensgütern, dargestellt.

Den Schwerpunkt des Buches stellt die Strafzumessung dar. Dabei werden zunächst die einzelnen strafzumessungserheblichen Umstände näher vorgestellt. Sodann wird ausgehend von der vom Bundesgerichtshof entwickelten Drei-Stufen-Theorie erläutert, mit welchen Überlegungen man die im jeweiligen Einzelfall angemessene Strafe bestimmen kann und muss. Dabei nimmt die Bestimmung des zutreffenden gesetzlichen Strafrahmens einen Hauptteil der Bearbeitung aus.

Schließlich werden sowohl Hinweise für das Verfassen der Begründung für die Strafzumessung in den Urteilsgründen gegeben als auch spezifische Erwägungen zur Strafzumessung bei bestimmten Delikten/Deliktsgruppen besprochen. In diesem letzten Teil finden sich sowohl Check-Listen für gewöhnlich zu bedenkende Umstände bei der Strafzumessung als auch konkrete Beispiele aus der Praxis.

Zwar kann das Buch dem Rechtsanwender die schwere Entscheidung, welche Strafe für ein bestimmtes konkretes Verhalten angemessen ist, nicht abnehmen, doch werden dem Leser eingehend und detailliert die für die Bestimmung dieser Strafe maßgeblichen Kriterien vermittelt.
Die Tatbestandsmerkmale der einzelnen Sanktionen sowie die strafzumessungserheblichen Umstände werden sehr gründlich erläutert und durch zahlreiche Verweise auf Literatur und Rechtsprechung flankiert. Daneben werden auch die für den Praktiker besonders wichtigen verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte benannt und erläutert. Die Prüfungsschemata helfen auch in ungewöhnlichen Situationen keine wesentlichen Kriterien für die Strafzumessung zu vergessen. Den Bearbeitern ist ein guter Kompromiss zwischen wissenschaftlichem Tiefgang und praxistauglicher Darstellung gelungen. Daher ist das Buch trotz der relativ komplexen Materie gut lesbar. Da die Strafzumessung stark individualisiert ist, ist es eine große Errungenschaft, dass das Buch nicht nur die einzelnen relevanten Gesichtspunkte erläutert, sondern das gesamte System der anzustellenden Erwägungen verständlich vermittelt. Das Ziel, dem Strafjuristen nicht nur Wissen, sondern Verständnis der Strafzumessung zu vermitteln, wird so erreicht. Dem Richter werden wertvolle Hinweise gegeben, welche zumessungserhebliche Fragen er bei der Beweisaufnahme bedenken sollte und wie eine gelungene und nachvollziehbare Begründung der Strafzumessung aussehen sollte. Auch Staatsanwälte, Verteidiger, aber auch Referendare können von der Lektüre des Buches sehr profitieren, da eine strukturierte und eingehend mit den jeweiligen strafzumessungserheblichen Umständen begründete Antragsstellung argumentativ überzeugender ist.

Gerade weil die Auswahl und Zumessung von Sanktionen in der juristischen Ausbildung nur sehr stiefmütterlich – um nicht zu sagen nahezu gar nicht – thematisiert wird, ist dieses Buch jedem dringend zu empfehlen, der mit der Strafjustiz beruflich beschäftigt ist. Es vermittelt sowohl das notwendige Handwerkszeug, um fachlich fundiert die „richtige“, also die angemessene Strafe zu beantragen / auszusprechen. Zum anderen helfen die vielen Beispiele aus der Praxis auch noch nicht so erfahrenen Strafjuristen eine zutreffende Einordnung der konkreten Tat in die zum Teil sehr weiten Strafrahmen vorzunehmen.

Fazit: Für jeden Strafjuristen ist dieses Buch ein Muss!