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Yorkshire, England, im Jahr 1983. Die Mordserie der vergangenen Jahre lässt die Nerven in Nordengland noch immer blank liegen. Gebeutelt von den harschen sozialen Einschnitten der Thatcher-Regierung, die ein Klima der Angst und Depression erzeugt, sorgen die Meldungen einiger Kindesentführungen für weitere Furcht. Als ein weiteres Schulmädchen verschwindet, präsentiert die Polizei rasch einen mutmaßlichen Täter, einen jungen Schwarzen, von dem rasch ein Geständnis erpresst wird. Die Lynchstimmung treibt den Verdächtigen alsbald in den Selbstmord. Doch sein Rechtsanwalt John Piggott recherchiert auf eigene Faust weiter; er glaubt, dass die Kindesentführungen im großen Maßstab organisiert wurden. Er wittert die Hintermänner in allen Schichten der Gesellschaft - sogar in der Polizei.
Auch in "1983" mutet der englische Autor David Peace seinen Lesern wieder einen wahren Höllenreigen zu. Die hier geschilderte Ballung an Gewalt, Perversion und Unmenschlichkeit übersteigt jedes Maß, das im Krimigenre üblich ist. Peace lebt die Exzesse in blutroten Farben aus, und er scheint als Autor mindestens ebenso an ihnen zu leiden wie seine Figuren, die sich durch die moralischen Abgründe kämpfen müssen. Vor allem aber ist auch dieser letzte Roman eine intensive Schilderung der 1980er Jahre in Großbritannien, in denen der soziale Zusammenhalt über einen schroffen Prüfstein geschleift wurde, die IRA das Land mit Bomben überzog und die Taten des "Yorkshire Rippers" für einen landesweiten Schock gesorgt hatten. Letztere waren es auch, die David Peace zu seinem "Red Riding Quartett" inspirierten, das jüngst sogar vom englischen Fernsehsender Channel 4 verfilmt wurde.
Wer die Veröffentlichung dieses vierten, erneut meisterhaften Bands zum Anlass nehmen möchte, sich diese Reihe vorzunehmen, der sei gewarnt. Er braucht einen starken Magen und die Bereitschaft, sich in die harte, verknappte, manchmal gar experimentelle Sprache des Autors einzulesen. Der Übersetzer Peter Torberg hat hier übrigens wieder Großes geleistet. Abschließend bleibt die Feststellung, dass sich David Peace mit dieser Reihe in die Annalen des Kriminal- und des Splatterromans gleichermaßen eingemeißelt hat, mit rostigen Schürhaken und abgebrochenen Eisenstangen. Er kann fortan als großer Krimiautor unserer Tage gelten.