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Katharina ist Siebzehn und erfüllt das Vorurteil vom Leben eines ostdeutschen Jugendlichen fast zu gut. Sie lebt in einem kleinen Dorf, in dem jeder jeden kennt und muss jeden Morgen lange mit dem Bus zu ihrer Ausbildungsstätte fahren. Dort macht sie eine Ausbildung als Arzthelferin, fühlt sich allerdings in der Praxis nicht wohl, da ihre Chefin an allen Ecken und Enden sparen will und Katharina für alle möglichen Fehler die Schuld gibt.
Nur selten kann Katharina entspannen, denn auch zu Hause ist immer etwas los. Sie ist eines von fünf Kindern und teilt sich ihr Zimmer mit zwei jüngeren Schwestern. Mit ihrer Mutter kann sie über nichts reden und auch vom Vater hält sie sich fern, da er immer wieder ihren "Sittenverfall" kritisiert. Dabei sind die Abende im "Schlachthof" die einzigen Stunden, in denen sie entspannen kann. Dort hat sie ihren Freund Ingo kennen gelernt, aber noch wichtiger: Hier traf sie Armand, den französischen Gitarristen. Er schreibt ihr wunderschöne und poetische Briefe, durch die sie sich immer mehr in ihn verliebt. Trotzdem ist sie weiterhin mit Ingo zusammen, auch wenn sie sich wegen Armand immer wieder streiten.
Katharina beschließt, Armand auf der Tour zu besuchen und verlebt wunderschöne Stunden mit ihm. Doch zu Hause fragt sie sich wieder, was sie mit ihrem Leben eigentlich anfangen will. Mit der Lehre ist sie fast fertig, doch die Berufsaussichten sind miserabel, Ingo liebt sie zwar, doch fühlt sie sich in dieser Beziehung trotzdem eingeengt, ihre Eltern können ihren Berufswunsch nicht verstehen, eigentlich soll ein Mädchen doch einfach nur heiraten und Kinder kriegen, alles andere erledigt sich von selbst.
Doch Katharina will mehr. Sie will so ähnlich sein wie Ingos Mutter, eine selbstbewusste Karrierefrau. Außerdem träumt sie von einer Zukunft mit Armand, am besten gefällt ihr der Gedanke eines Künstlerlebens ohne festen Wohnsitz.
Doch diese Träume muss sie überdenken, als Armand sich nicht mehr bei ihr meldet. Ist der schöne Traum jetzt vorbei oder kann sie noch Hoffnung haben?
Katharinas Gefühl der Hilf- und Orientierungslosigkeit kennen wohl viele andere Jugendliche, die kurz vor dem Ende ihrer Schul- oder Berufsausbildung stehen. Auch die Prüfungsangst ist vielen vertraut. Trotzdem wird mit den Vorurteilen über den Osten zu dick aufgetragen. Ich bin mir sicher, dass auch in Katharinas Dorf die Zeit nicht irgendwann komplett stehen blieb, denn so alt erscheint das Verhalten der übrigen Dorfbewohner teilweise. Es herrscht die angeblich typische Resignation und Hoffnungslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen, die nicht das Glück hatten, eine Lehrstelle zu finden. Doch von diesen wird nur wenig berichtet. Da das Dorf sehr klein ist, ist die ganze Gemeinschaft geprägt von Tratsch und dem ständigen Hetzen gegen "die da drüben".
In diesem Roman werden viele Nebenstränge eingeflochten, die die Geschichte sehr beleben. So bedient sich Katharina teilweise am Medikamentenschrank der Praxis, da sie mit ihrem eigenen Leben nicht mehr zurecht kommt und keinen anderen Ausweg sieht, als sich mit Tabletten zuzudröhnen, um möglichst wenig denken zu müssen. Leider wird der Ausweg aus ihrer beginnenden Sucht nicht geschildert, eines Tages ist einfach alles wieder viel einfacher und sie ist geheilt. Dieser Schluss der Handlung erscheint hochgradig unrealistisch, normalerweise ist das Loskommen von einer Sucht nicht so leicht zu vollziehen.
Schön wird aber gezeigt, wie bestehende Freundschaften durch Ablenkung zerbrechen können und dass es Arbeit kostet, diese wieder aufzubauen.
Ein weiterer Nebenaspekt der Handlung ist die Forschung Katharinas nach dem Leben ihrer Urgroßmutter. Zwischen den beiden gibt es viele Parallelen, und dass nicht nur äußerlich, auch viele Charakteristika vereinen die beiden. Doch irgendein dunkles Geheimnis umgibt diese Urgroßmutter, ihre Mutter will nicht über sie reden. Die einzigen Informationen, die Katharina erhält, werden ihr von ihrer Tante geschickt, welche in der Familie nicht mehr willkommen ist, da sie in den Westen gezogen ist.
Auch diese Suche nach Identität, die Katharina antreibt, beschäftigt viele Jugendliche.
Die Leser sollten sich schon ein wenig mit medizinischem Vokabular auskennen. Es ist zwar nicht weiter wichtig für die Handlung, was in den Krankenakten steht, aber zum besseren Verständnis ist es ratsam, um nicht bei jeder Erwähnung von einem bestimmten Mittel den Kopf schütteln zu müssen.
Überraschend bei diesem Roman ist, dass er viel mehr in die Tiefe geht, als der Klappentext verrät. So erscheint er einfach als ein typischer Teenie-Roman, der sich um die Probleme mit Eltern, Liebe und Freunden dreht, doch er ist mehr. Zumindest für einen Roman mit der Zielgruppe ab zwölf Jahren ist er faszinierend, ältere Jugendliche oder Erwachsene könnten sich von ihm unterfordert fühlen, da auch die Sprache leicht verständlich und der normalen Umgangssprache von heute angepasst ist.