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"Die Bücher mit dem blauen Band" ist eine recht junge Reihe des Fischer Verlags, in der alle zwei Monate ein besonders schön aufgemachtes Kinder- oder Jungendbuch erscheint.
Im März 2009 wurde in dieser Reihe Nadia Buddes Buch
"Such dir was aus, aber beeil dich" veröffentlicht, in dem die gebürtige Ostberlinerin in zehn Kapiteln Episoden ihrer Kindheit schildert.
Da kann man vieles von ihrer Großmutter lesen, die auf dem Land wohnt und wie die meisten anderen Frauen auch auf dem Feld arbeitet, schrumpelige Ellenbogen, große Brüste, dicke Fesseln und stark haarige Achseln hat und außerdem nach Schweiß riecht. Der Leser erfährt auch von dem Neubaugebiet, in das die kleine Nadia mit ihren Eltern zieht und in dem sie ein „stinknormales Neubaugebietleben“ führt: mit Fernheizung, Müllschlucker und Frau Lange, die Hausvertrauensfrau mit dem Hausbuch, in dem jeder Westbesuch verzeichnet werden muss.
Nadia Budde fängt in ihrem Buch ihre eigene ostdeutsche Kindheit mit Worten und Bildern ein und schafft einen Genre-Mix aus Graphic Novel und illustrierten Kurzgeschichten, in dem weder die Bilder noch die Texte die Oberhand gewinnen, sondern beide gleichsam symbiotisch einen ganzheitlichen Blick bieten. Das ist auch das Faszinierende an Buddes Buch: Kindliche Gedanken und die in Worte fassbaren Erinnerungen stehen neben Bildern, die eine Welt aus Kinderaugen zeigen. Buddes Bilder sind weder hübsch bunt noch zart poetisch, sondern vielmehr skurril, absurd, hier und da unförmig, manchmal gar hässlich. Da kann man sich auch schon mal fragen, wie es jemand mit einem Stil wie Budde schafft, so viele Preise einzuheimsen. Die Tiere, Menschen und Dinge in ihren Bildern sind von einem dicken schwarzen Strich umgeben. Sie verzichtet konsequent auf Farbverläufe und alles, was auch nur irgendwie perspektivisch wirken könnte, pflegt also einen plakativen, kindlich-naiven Stil.
Ihre Erinnerungen erzählt sie aus der Ich-Perspektive, geht nüchtern zu Werke und als Leser hat man das Gefühl, dass es ihr gelingt, ihren eigenen kindlichen Geist wachzurufen. Das springt dann unmittelbar auf den Leser über, der sich an seine eigene Kindheit erinnert und daran, wie er dieses und jenes als Kind empfunden, gesehen oder verstanden hat.
Ein Blick auf eine Kindheit, der die Möglichkeiten der Kombination von Schrift- und Bildsprache konsequent ausreizt, weder der einen noch der anderen den Vorzug gibt und damit für Freunde experimenteller Graphic Novels und Comics ein echter Leckerbissen sein sollte - auch wenn Nadia Buddes Stil reichlich schräg und sicher nicht jedermanns Geschmack ist.