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Nach ihrem Studium der Fotografie geht die Chinesin Tingyi nach Deutschland. Zum 70. Geburtstag ihres Vaters kehrt sie nun mit ihrem deutschen Freund Robert nach mehreren Jahren in ihre Heimat zurück. Dort erwarten sie jedoch nicht nur ihre Familie und eine große Geburtstagsfeier, sondern auch der Wunsch des Familienoberhauptes, dass Tingyi nach fünf Jahren der Partnerschaft mit Robert nun endlich ein Kind mit ihm bekommen solle. Denn immerhin sei sie mit Anfang 30 auch nicht mehr die Jüngste.
Tingyi und Robert wünschen sich Kinder. Dennoch ist Tingyi von der Art des Eingreifens in ihr Leben schockiert. Robert dagegen ist Feuer und Flamme und möchte am liebsten direkt einen Nachkommen zeugen. Parallel zur Geburtstagsfeier bemüht sich nun die ganze Familie, den Storch bei dem Pärchen vorbeizuschicken. Gleichzeitig begegnen sie jedoch auch Tingyis verflossener Liebe, während eine Chinesin versucht Robert zu verführen. Außerdem verrät Tingyis Mutter ihr ein Familiengeheimnis, das sie sehr schockiert.
Vier Bücher hat Luo Lingyuan seit 2005 bei dtv veröffentlicht. Passend zur Frankfurter Buchmesse, deren Ehrengast China ist, hat die Autorin am 1. Oktober ihr neues, fünftes Buch, „Wie eine Chinesin schwanger wird“, herausgebracht und bringt auch darin den deutschen Lesern wieder die chinesische Kultur näher. Die chinesische Autorin studierte Journalismus und Computerwissenschaften in Shanghai, lebt aber seit 1990 in Berlin und schreibt dort sowohl Bücher als auch Beiträge für Zeitschriften und Anthologien.
Die Geschichte ist in einem spannenden und gleichzeitig humorvollen Stil geschrieben. Die Autorin schafft es, die Figuren real wirken zu lassen und ihnen ganz eigene Charaktere zu verleihen. Die Hauptfigur Tingyi hat dabei durch ihre Zeit in Deutschland sehr westliche Züge angenommen, die durch ihren Freund Robert unterstützt werden. Die Autorin wechselt dabei immer wieder zwischen den Perspektiven von Tingyi und Robert: Für ihn ist die chinesische Kultur vollkommen fremd. Dank dieser Tatsache kann sich der Leser ein sehr gutes Bild davon machen, wie die Situationen auf ihn selbst wirken würde, und sich so besser in die Figur hineinversetzen. Gleichzeitig wird aber auch aus Tingyis Sicht geschrieben, die die Kultur grundsätzlich kennt, sie dadurch versteht und so auch dem Leser erklären kann.
Interessant an diesem Buch ist, dass die Autorin hinter die anfänglich harmonisch und perfekt wirkende Fassade blickt und den Leser daran teilhaben lässt. Vor allem der Verlust traditioneller Werte und gleichzeitig die damit verbundenen Möglichkeiten flicht sie geschickt in ihre Geschichte ein. Dennoch sollte man dem Buch keinen politischen Hintergrund andichten, sondern es als amüsante Unterhaltung genießen. Luo Lingyuan zeigt stattdessen die Veränderungen in der chinesischen Gesellschaft anhand des Unterschieds zwischen den Eltern und den Kindern auf. Bestehen die Eltern auf eine klassische Zeremonie, um den Geburtstag zu feiern und somit die Familie zu ehren, denken die Kinder moderner und verschließen nicht die Augen davor, dass in der Familie nicht alles harmonisch abläuft. Mit Fingerspitzengefühl schafft es die Autorin, den Ausgang der Geschichte bis zum Ende hin offen und die Balance zwischen Gefühl und Humor zu halten. Der Leser leidet mit den Figuren und lacht über die Missverständnisse, die beispielsweise in der Kommunikation zwischen Robert und Tingyis Eltern entstehen und in der sich mit Händen und Füßen verständigt werden muss. Ein faszinierendes Buch.