Auch heute noch übt der persische Dichter und Sufimeister Rumi eine große Faszination auf die Menschen aus - egal welcher Religion. Dies veranlasste die UNESCO, das Jahr 2007, in dem der Mystiker 800 Jahre alt geworden wäre, zum Rumi-Jahr zu erklären. Rumi gilt auch als Begründer des Mevlevi-Ordens, dessen unverwechselbarer Derwisch-Tanz zum Weltkulturerbe erklärt wurde.
Geboren wurde der islamische Mystiker 1207 in Balch, heute Afghanistan, und er starb 1273 im türkischen Konya. Zunächst studierte Rumi Literatur und wurde dann in die Geheimnisse der Mystik eingeweiht. Sein umfangreiches dichterisches Werk bildet die Basis für seinen bis heute andauernden Ruhm - „Von Allem und vom Einen“ gilt als sein einziges Prosawerk. Es enthält Gespräche mit Freunden und Schülern, die über den eigentlichen Inhalt hinaus auch einen Einblick in seine Denk- und Arbeitsweise geben. Zu seinen Schülern gehörten sowohl Minister des Hofes als auch einfache Tagelöhner. Das handliche gebundene Hardcoverbuch ist 2008 in der „Gelben Reihe“ des Diederichs Verlages erschienen und umfasst rund dreihundertachtzig Seiten.

Die Übersetzung übernahm die anerkannte, im Jahr 2003 verstorbene Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel. Sie übersetzte die Texte aus der persischen und arabischen Sprache und schrieb die Einführung von rund fünfzig Seiten. Im Anschluss daran skizziert Rumi selbst „Wovon die Rede ist“ in den nachfolgenden sechsundsechzig Kapiteln. Diese Kapitel beinhalten theologische und philosophische Überlegungen und sie enthalten auch Betrachtungen zu ganz alltäglichen Lebensproblemen. Sie beginnen mit der Beschreibung einer Situation, einer gängigen Einstellung oder Überzeugung, einem Gespräch oder einem früheren Ausspruch oder einer Rede Rumis, zu denen dieser dann seine Kommentare gibt. Im Anhang finden sich Anmerkungen zu der Übersetzung, ein Literaturverzeichnis, ein Verzeichnis der Koranzitate und eine Liste der sogenannten „Traditionen“, Aussprüche des Propheten.

Eine persische Miniatur im oberen Drittel des sonnengelben Einbandes zeigt den Meister mit Turban und einem Buch in der Hand; er ruht, an ein Kissen gelehnt, vor einem grünen Hintergrund, der einen blühenden Garten darstellt. Einen reichhaltigen und fruchtbaren Garten stellen auch die vielfältigen Gespräche, Kommentare und Aussprüche dar, die sich in dem Buch finden.

Geriet Annemarie Schimmel auch etwas in Verruf anlässlich ihrer Solidarität mit Salman Rushdie-Gegnern, so war sie doch eine hervorragende und anerkannte Islamkennerin. Hier gibt sie eine sehr ausführliche Einführung in das vorliegende Werk Rumis, „Von Allem und vom Einen“ - „Fihi ma fihi“; wörtlich übersetzt heißt dies so viel wie „Darin ist, was darin ist“. Das Buch gilt als wichtige Ergänzung zu Rumis umfangreichem poetischen Werk. Die Kapitel sind Lehrreden und scheinbar voller Widersprüche. Dabei muss man bedenken, dass Unterweisungen abhängig sind von der Person, an die sie sich richten. Und ist das Leben selbst nicht widersprüchlich und paradox? Es werden Begegnungen geschildert, Ereignisse und Gespräche wiedergegeben. Die Texte enthalten zahlreiche Koranzitate und Aussprüche des Propheten und auch Bezüge zu den Werken anderer Autoren. Hilfreich zum Verständnis sind die umfangreichen Anmerkungen und Quellenhinweise, die am unteren Rand der Seiten vermerkt sind.

Die Weisheit Rumis, die in bildhafter üppiger Sprache niedergelegt ist, ist eine reiche Quelle der Inspiration und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Das Buch enthält zahlreiche Lebensweisheiten, die selbst heute noch Gültigkeit haben. So etwa diese: „Die Welt ist wie ein Spiegel, in dem du dich selbst siehst. Wenn du einen Fehler in deinem Bruder siehst, so ist er in dir selbst.“