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Was wäre, wenn man die Macht besäße, seine Gedanken eine physische Gestalt annehmen zu lassen? Wenn man allein durch seine Vorstellungskraft die seit Jahrhunderten als unantastbar geltenden Naturgesetze im Bruchteil einer Sekunde auf den Kopf stellen könnte? Und wenn sich diese Macht auch gegen die Menschheit richten könnte? Willkommen in der Welt von „Tribal 12“!
Vor einigen Jahren hat eine Forscherin das Metaphysica-Teilchen entdeckt – eine Materie, die Gedanken Substanz und Form geben kann. Doch durch einen Zwischenfall wurden die Teilchen über die gesamte Welt verstreut und von den Ruinen zerstörter Städte und Bauwerke absorbiert, wodurch sie zum Leben erwachten. Als wandelnde steinerne Kolosse – gefürchtet als „die Archaischen“ – marschieren sie seither unaufhaltsam über die Erde und hinterlassen auf ihrem Weg ein Bild der Verwüstung; reguläre Waffen zeigen keine Wirkung gegen die Ungeheuer, die Armee ist machtlos gegen sie. Nur einige wenige Menschen werden mit der Fähigkeit geboren, die Metaphysica-Teilchen zu kontrollieren und ihre Vorstellungskraft als Waffe gegen die „Archaischen“ auszubilden; diese Gabe wird „Vision“ genannt. Als die „Zwölf“ bilden die stärksten unter ihnen die einzige Macht, welche es mit den steinernen Ungetümen aufnehmen kann.
Der fleißige, aber stets bierernste Ko Neriyasu lernt hart, um in die Reihen der „Zwölf“ aufgenommen zu werden, versagt aber bei der Aufnahmeprüfung. Doch zu seiner Überraschung wird er von der Akademie der „Zwölf“ zum Tutor der jüngsten Neuentdeckung ernannt: Der junge Oz, der sein Badehaus bei einem Angriff der „Archaischen“ verloren hat, verfügt über ein unglaubliches Machtpotential, weiß mit diesem aber noch nicht richtig umzugehen. Gleich ihre erste Mission als Team führt die beiden in Kos Heimatstadt, wo die „Zwölf“ die Ursache für die jüngsten Aktivitäten der „Archaischen“ vermuten …
Gedanken Realität werden lassen – und die Nachtseite einer solchen Gabe aufzuzeigen: Diese Thematik ist nicht neu. Michael Crichton konfrontierte in seinem 1987 veröffentlichten und zehn Jahre später verfilmten Roman „Sphere“ die Protagonisten mit Manifestationen ihrer ureigenen Ängste und mit den Folgen, sollte man nicht Herr seiner eigenen Vorstellungskraft sein. Als Vorlage diente ihm höchstwahrscheinlich der SF-Kultfilm „Alarm im Weltall“ (Originaltitel: „Forbidden Planet“) von 1956, der wiederum oft als Sci-Fi-Adaption von Shakespeares „The Tempest“ gelesen wird. Man sieht: Yuko Osada braucht schon mehr als nur diese zugegebenermaßen spannende, aber bereits vielfach adaptierte Idee. Was hat „Tribal 12“ also zu bieten?
Wer einen komplexen, tiefgründigen Plot erwartet, der mittels raffinierter Erzählweise inszeniert und von sorgfältig gezeichneten Charakteren getragen wird, der liegt vollkommen daneben. Stattdessen präsentiert sich die Geschichte um Gestalt annehmende Gedanken als Paradebeispiel eines Shonen-Mangas – sowohl hinsichtlich der Handlung als auch des Zeichenstils. Die Ingredienzien: Mächtige, scheinbar unaufhaltsame Ungeheuer, die die Menschheit bedrohen, eine Gruppe von Auserwählten mit besonderen Kräften, die sich der Bekämpfung eben dieser verschrieben haben, und eine finstere Verschwörung gegen die Helden. Im Mittelpunkt stehen die beiden Helden, wie sie ungleicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite der talentierte Ko, ein Musterschüler wie aus dem Bilderbuch, dem sein eigener Ernst allzu oft im Wege steht; auf der anderen Seite der lebensfrohe und naive Oz, der sein mächtiges Energiepotential nicht effektiv konzentrieren kann und im Grunde auch gar keine Lust hat, für die Rettung der Welt mühsam die Theorie hinter „Vision“ zu erlernen.
Dieses nicht gerade spannungsfreie Verhältnis zwischen den beiden Dioskuren ist der ideale Nährboden für Slapstick-Einlagen, mit denen Yuko Osada nicht geizt: Die Unbefangenheit und Naivität des jungen Oz treiben den spaßbefreiten Ko gerne mal zur Weißglut; Oz hat nur Unsinn im Kopf und zeigt mehr Respekt vor der ansehnlichen Oberweite der Akademieleiterin als vor den hehren Aufgaben der „Zwölf“. Daneben liegt der Fokus natürlich auch auf der Action: Im Kampf gegen die „Archaischen“ werden Kräfte gebündelt, Energien freigesetzt und hilfreiche Geister aus Gedanken geboren, bis von den steinernen Ungetümen nichts mehr übrig ist als eine vormals lebendige Schutthalde. Die Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder der „Zwölf“ unterscheiden sich stark – soweit man dies im ersten Band überhaupt beurteilen kann, da man gerade vier Charaktere in Aktion erlebt; die übrigen Mitglieder der „Zwölf“ kommen zwar in den Genuss eines ersten kurzen Auftritts, doch erfährt man weder ihre Namen noch etwas über ihre Talente oder Schwächen. Die Story entwickelt sehr rasch eine gewisse Dynamik, was auch daran liegen mag, dass mit der Vorgeschichte größtenteils hinterm Berg gehalten wird: Auf den ersten zwei Seiten wird skizzenhaft die Entdeckung der Metaphysica-Teilchen und die Entstehung der „Archaischen“ geschildert, doch dann geht der Manga sehr rasch in medias res. Dies lässt die Annahme zu, dass die Vorgeschichte in den Folgebänden möglicherweise stärker in den Plot eingebunden wird – was wünschenswert wäre, da sie sonst aufgesetzt und überflüssig wirkt.
Der Zeichenstil, der stellenweise sehr stark an Hiromu Arakawas „Fullmetal Alchemist“ erinnert, unterstreicht den dynamischen wie auch humorigen Charakter von Osadas Fantasy-Manga. Der Look des Mangas macht es dem Leser einfach, in die fantastische Welt von „Tribal 12“ einzutauchen, und bietet eigentlich alles, was ein Shonen-Manga haben muss: Gut in Szene gesetzte Kämpfe, finstere Bösewichte, hier eine überzogene Mimik und da ein formvollendeter weiblicher Körper.
Fazit: Flottes Fantasy-Abenteuer um randalierende Ruinen, vollbusige Akademieleiterinnen und die Macht der Gedanken. Frech und kurzweilig, eben in bester Shonen-Manier, hält der erste Band aber mit dem Potential der Reihe noch hinterm Berg. Lust auf Band zwei macht der Manga aber allemal.