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Eine bislang unbescholtene Dame, die verwitwete Marquise von O., setzt eine Annonce in die Zeitung, mittels derer sie den Erzeuger ihres ungeborenen Kindes auffordert, sich zu erkennen zu geben; sie werde ihn heiraten.
Mit diesem Skandal beginnt Kleists Novelle. Es erfolgt eine Rückblende, aus der die Hintergründe hervorgehen: Die Marquise ist mit ihren Kindern zu ihren Eltern in eine Zitadelle gezogen, die vom Vater befehligt wird. Als eine russische Abteilung die Zitadelle stürmt, misshandelt eine Gruppe von Russen die Marquise und will sie vergewaltigen. Doch der russische Kommandant, der Graf F., rettet sie vor den Soldaten. Als sie in Ohnmacht fällt, vergeht er sich allerdings selbst an ihr, was freilich nur angedeutet wird.
Der edle Retter ersucht um die Hand der Marquise, deren Eltern jedoch in Abstimmung mit ihr ablehnen, weil sie aus Liebe zu ihrem verstorbenen Gatten geschworen hat, nicht mehr zu heiraten.
Als die Marquise nach wenigen Monaten feststellt, dass sie schwanger ist, wird sie von ihren Eltern verstoßen, die ihr natürlich nicht glauben wollen, dass sie keine Ahnung hat, wie es zu der Schwangerschaft kommen konnte, und sie schändlicher Lügen bezichtigen. Verbittert zieht sich die Marquise mit ihren ehelichen Kindern auf ihren Witwensitz zurück und empfängt niemanden. Den Grafen F., der ihr abermals einen Heiratsantrag macht, stößt sie grob zurück – was sollte sie auch anderes tun, käme sie doch nie auf die Idee, dass ausgerechnet der von ihr verehrte Retter ihr die geheime Schmach angetan haben könnte.
Die Zeitungsannonce, mittels derer die Marquise ihrem ungeborenen Kind einen ehrbaren Eintritt in die Welt ermöglichen möchte, scheint dem Grafen F. schließlich die Möglichkeit zu geben, seine Schuld zu sühnen und die geliebte und begehrte Frau zur Seinen zu machen. Doch mit ihrer Reaktion hat er nicht gerechnet.
Kleist hat die Handlung dieser Novelle in Italien angesiedelt, kritisiert damit jedoch ganz klar auch die ihn umgebende Gesellschaft. Die Kaltblütigkeit, mit der die Eltern der Marquise ihre Tochter wegen des "Fehltritts" verstoßen, bestürzt. Vor allem zeigt der Vater eine Unbarmherzigkeit und Härte, die angesichts seines eigenen Versagens – immerhin kann er weder die seiner Verantwortung unterstehende Festung verteidigen noch seine Tochter vor den Übergriffen der feindlichen Soldaten schützen – erstaunt.
Die Marquise selbst beweist, auf sich selbst gestellt und sich ihrer Unschuld bewusst, eine für eine Frau ihrer Zeit und angesichts ihrer Demütigung erstaunliche Selbstständigkeit. Dennoch unterwirft sie sich, wenngleich mit unkonventionellen Mitteln und voller Stolz, dem Ehrenkodex ihrer Gesellschaft, indem sie sich ihrem unbekannten Vergewaltiger als Ehefrau anbietet.
Insgesamt ist die Handlung recht geradlinig aufgebaut und ohne allzu viele Überraschungen, wobei eine nach der Versöhnung mit den Eltern stattfindende, inzestuös anmutende und von der Mutter mit Wohlgefallen betrachtete Szene zwischen Vater und Tochter etwas irritiert – auch sie ein Angriff auf die gehobene Gesellschaftsschicht des 19. Jahrhunderts?
Verletzter Stolz und Enttäuschung, Schuld, Verantwortungsbewusstsein und Liebe bestimmen diese Novelle.
Axel Grube liest den Text einfühlsam, die Spannungsbögen gut nachzeichnend und durch geschickten Einsatz von Zögern und kurzen Pausen verstärkend, vor. Die Abschnitte werden durch Musik getrennt. Dadurch ist die Hörbuchfassung für Interessierte eine vollwertige Alternative zur Printausgabe. Statt der vorliegenden mp3-Version in Papierhülle und Kartonumschlag gibt es auch eine Schmuckschachtel mit zwei Audio-CDs.
Zu jedem der rund zehnminütigen Tracks in der mp3-Fassung ist auf der Innenseite des Kartonumschlags der zugehörige Textanfang angegeben, sodass man sich gut orientieren kann, wenn man noch einmal "zurückblättern" will oder die CD in Verbindung mit einer gedruckten Version anhört.
Eine sehr gelungene Hörbuchumsetzung des bekannten Klassikers von Kleist!