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Von der Frühgeschichte der Menschheit bis ins sechste Jahrhundert v.Chr. wurde die Entstehung der Welt mythologisch erklärt. Ob in einem chinesischen Schöpfungsmythos der Riese Phan Ku, in der "Prosa-Edda", der isländischen Schöpfungsgeschichte, die gegensätzlichen Reiche von Muspellsheim und Niflheim, oder im westafrikanischen Togo der gewaltige Gott Wulbari, immer ist es ein Beweger, ein übersinnliches Wesen oder eine unnatürliche Kraft, die die Welt erschafft.
Erst einige griechische Philosophen weigerten sich zu glauben, dass göttliche Handlungen für natürliche Erscheinungen verantwortlich waren. Diese Philosophen waren die ersten Kosmologen (vom altgriechischen "kosmeo" für ordnen oder organisieren). Sie stellten Theorien auf, die überprüfbar sein sollten und bei Bedarf angepasst werden konnten. Die Zeit der ewigen Wahrheiten ging unaufhaltsam zu Ende.
Doch erst im 16. Jahrhundert gelangte Kopernikus zu der Auffassung, dass nicht die unbewegliche Erde Mittelpunkt des Universums sei und Sonne und Planeten in komplizierten Bahnen um sie kreisten, sondern die Planeten und die Erde sich um die Sonne bewegen. Brahe, Kepler und Gallilei stärkten die Theorie des heliozentrischen Modells, aber die Kirche und Wissenschaftler, die von den alten Vorstellungen nicht lassen wollten, verhinderten noch Jahrhunderte lang, dass es sich durchsetzte.
Dann wurde eine zentrale Frage der Kosmologen von einem jungen Beamten im Schweizer Patentamt in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt. Durch bloße Gedankenexperimente revolutionierte Albert Einstein unsere Vorstellungen des gesamten Kosmos nachhaltig. Seine spezielle (1905) und allgemeine Relativitätstheorie (1915) war der Beginn einer neuen Phase der Wissenschaft.
Die spezielle Relativitätstheorie besagte, dass Raum und Zeit eine Einheit bilden, die allgemeine Relativitätstheorie begründete eine neue Theorie der Schwerkraft.
Das grundlegende Problem, das sich aus diesem neuen Theoriengebäude ergab, war, ob es sich um ein ewiges, statisches Universum oder um ein durch eine Art Urknall entstandenes und in der Ausdehnung befindliches Universum handelte.
Auf den nächsten 200 Seiten nähert sich der Leser dem heutigen Stand der Kosmologie. Er folgt den Thesen berühmter Wissenschaftler wie Einstein, Rutherford, Gamow, Alpher und Herman, die letztlich beweisen, das es ein ewiges, statisches Universum nicht geben kann - zu viele Beweise lassen sich dagegen finden.
Doch bis in die Nachkriegsjahre hinein wurde das "Urknall-Universum" nicht zur alleinigen Theorie. Ihm wurde von Hoyle, Gold und Bondi das "Steady-State-Universum" gegenübergestellt, das zwar eine Ausdehnung zugab, neue Materie aber in den Zwischenräumen der Galaxien ständig neu geschaffen wurde. Beide Modelle hatten ihre Stärken, aber auch ihre Probleme.
Erst als Mitte der 1960er Jahre die Hintergrundstrahlung im Universum entdeckt wurde - diese sprach eindeutig für das Urknall-Modell - setzte sich dieses Modell durch.
Im Epilog versucht Singh einen Ausblick auf offene Fragen und noch zu lösende Probleme, denn der "Big Bang" gilt zwar als bestätigt, aber das wirft mehr Fragen auf als je zuvor.
Simon Singh nimmt den Leser mit auf eine Reise zu den Anfängen der Wissenschaft und noch darüber hinaus. Er versucht, indem er Philosophen und Denkern, Wissenschaftlern und ihren Gegenspielern über die Schulter schaut, dem Leser ihre Ideen näher zu bringen. Er erläutert aber nicht nur den Gang der Forschung hin zum Urknall-Modell, sondern er macht Wissenschaftsgeschichte lebendig. Singh vermag es, Tycho Brahe, der bei einem Duell seine Nase verlor und vielleicht deswegen besser durch ein Fernrohr schauen konnte, Gallilei, Kopernikus und Kepler zu leidenden und von Selbstzweifeln zerrissenen Menschen zu machen. Er lässt sie zu wirklichen Menschen hinter ihren großen Ideen werden und macht es daher zu einem Genuss, seiner "Geschichte" zu folgen.
Mit Talent für Nebensächlichkeiten in den Lebensläufen der Genies macht er es den heutigen Lesern leichter, ihren Gedankengängen zu folgen. Zumal es Singh gelingt, auch schwierigste Theoreme und Grundlagen nachvollziehbar zu machen. Eine lesenswerte Geschichte entsteht, spannend und informativ, voller Wechselfälle und Überraschungen.
Liebevoll wird das "Jahrhundertgenie" Einstein vom Sockel der Geschichte geholt und zu einem Menschen, den nichts als die reine Neugier zu seinen epochalen Leistungen trieb, gemacht.
Etwas ausführlich gerät der Abschnitt, der den Dissens zwischen den konkurrierenden Theorien zur Entstehung des Universums behandelt (Urknall versus ewiges Universum), doch auch hier vermag ihm der Leser durch seine auflockernden Geschichten um die privaten Probleme der Forscher und Wissenschaftler zu folgen.
Fazit: Wer ausführlich und eloquent der Geschichte des "Big Bang" folgen möchte, Hintergründe ausleuchten will, wie es zu diesen Theorien kam und vor allem, wer daran maßgeblich beteiligt war, kann bedenkenlos zugreifen. Doch ein wenig Fleiß und Durchhaltevermögen muss der geneigte Leser schon mitbringen, wenn er die 540 Seiten durchlesen will. Dankeswerterweise erleichtert Singh diese Arbeit ein wenig, da er hinter jedes Kapitel eine nette, comic-artige Zusammenfassung stellt, die sich wunderbar eignet, gelegentlich zurück zu blättern und sich zu vergewissern.
Ein ausführliches Glossar ist eine weitere große Hilfe dabei. Sehr interessant, wenn nicht lustig, ist der Anhang, in dem Zeitgenossen der letzten zwei Jahrtausende zitiert werden. Sie beantworten die nicht einfache Frage: "Was ist Wissenschaft?"