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Noch einmal, allerdings ein letztes Mal, schickt der Autor Matthias Keidtel seinen Helden Holm auf Entdeckungsreise ins geheimnisvolle Leben der (weiblichen) Gesellschaft.
Nach seiner Stippvisite in die Welt der Striptease-Bars landet er wieder bei seinen Eltern. Doch durch sein Abenteuer im zweiten Band, der Suche nach der Reinhard-Mey-Rose, hat Holm Geschmack an öffentlichen Auftritten gefunden. Und so wird der Leser Zeuge, wie Holm eine ganze Mannschaft von Sicherheitsbeamten austrickst und noch vor dem Berliner Bürgermeister einen roten Teppich betritt. Gefeiert wird die Eröffnung eines Einkaufszentrums. Dieser rote Teppich, doch das ahnt Holm noch nicht, führt ihn natürlich zu einer Frau, genauer gesagt zu zwei Frauen.
Die eine Frau ist die kleine Zarah. Zarah ist die sechsjährige Tochter von Sylvia. Beide lernt er bei dem Sektempfang kennen, der zur Eröffnung stattfinden soll. Doch Zarah hat ihren eigenen Willen. Die riesige Pyramide aus Sektkelchen vernichtet sie in einem unbesehenen Moment, und da Holm zufällig neben der Kleinen steht und diese den Mund nicht aufbekommt, hält man Holm für den Vater. Beide werden abgeführt.
Hier aber naht dann Sylvia, ebenjene Sylvia, der Holm am Ende des zweiten Buches seine überzählige Reinhard-Mey-Karte schenkt. Was zunächst als eine gewisse Dankbarkeit von Sylvia gemeint ist, entpuppt sich schnell als eine von beiden Seiten getragene emotionale Beziehung. Ist das für Holm schon unheimlich genug, ist ihm auch die kleine Zarah mit ihren Launen und Einfällen seltsam fremd.
So stolpert er, diesmal zusammen mit einem naseweisen Kind, durch seinen skurrilen Alltag, bis – und das darf man an dieser Stelle getrost verraten – es schließlich auch für Holm zu einem Happy End kommt.
Der letzte Band der Holm-Trilogie verändert noch einmal den Ton, noch einmal seinen Humor und führt die Lebensgeschichte des Helden konsequent weiter. Hatte sich der zweite Band an einigen Stellen nicht richtig entscheiden können, ob er den Ton des ersten Bandes wiederholt oder den neuen durchhält, gelingt diesem Teil eindeutig die Weiterentwicklung. Der Humor wird ein wenig skurril-sentimental, ohne aufdringlich oder versöhnlich zu sein.
Wieder glänzt das Buch, mehr noch als die beiden vorhergehenden Bände, durch eine sehr präzise Alltagsbeobachtung. Statt diese aber zu psychologisieren, lässt der Autor sie ihren Witz und teilweise absurden Charme entfalten. So ist dieses Buch trotz seiner Unterschiedlichkeit zu den beiden vorhergehenden Werken genauso großartig.
Der Sprachstil ist schlicht, von geradezu unfassbarer Einfachheit, hält man die doppelbödige Erzählweise dagegen. Literaten kennen das schon von Brecht, Bernhard oder Hemmingway. Dass Keidtel von der Atmosphäre her trotzdem sehr eigene Wege geht, dürfte allerdings klar sein.
Zunächst unterhält auch der dritte Holm ganz kurzweilig, ganz ‚an der Oberfläche’. Dahinter stecken allerdings, wie schon in den beiden vorhergehenden Romanen, tiefgreifendere Gedanken. An einer Stelle des Romans sagt Sylvia, dass sie sich, wenn sie sich mit einer Freundin trifft, bloß unterhalte. Holm hatte hier noch nach irgendeiner ‚sinnvollen’ Beschäftigung gedrängt, nach einem Ausflug oder einer anderen Aktivität. Dass man sich bloß unterhalten könne, über alle möglichen Themen, das ist ihm unheimlich. Er denkt, dass es hier sicherlich zu Versorgungsengpässen kommen könne, und meint damit Versorgungsengpässe an Themen, über die man redet. Parallel dazu entdeckt Holm seine eigenen Gefühle. Auch die sind ihm suspekt. Die kleine Zarah spielt hier aber noch mehr als ihre Mutter Sylvia einen Katalysator, durch den Holm schließlich akzeptiert, dass er mit all seiner Sonderlichkeit auch einen gewissen intelligenten Charme mit sich bringt. Dafür wird er von Sylvia geliebt, und weil er dies akzeptiert, lernt er Sylvia zu lieben, einfach so, ohne etwas leisten zu müssen und ohne jemanden zu manipulieren. Die Welt seiner Gefühle und der sinnvoll gelebte Alltag wachsen zum Schluss zu einer faszinierenden, lebendigen Einheit zusammen. Holms Lehre ist zu Ende.
Fazit: Mit diesem humorvollsten und melancholischsten Teil der Trilogie schließt der Autor seine wunderbare Erzählung von der Befreiung des Mannes Holm aus den Fesseln postmoderner Sinnlosigkeit und konservativer Zwänge. Dies ist die vielleicht beste, unterhaltsamste und ernsthafteste Schilderung des modernen männlichen Seelenlebens, die in den letzten zehn Jahren geschrieben wurde.