Wenn das eigene Kind von einem Tag auf den anderen spurlos verschwindet, ist das für beide Elternteile ein schwerer Schlag, der kaum zu verkraften ist. Und für Jeremiah Hunt ist es noch schlimmer, denn er war zuhause in seinem Arbeitszimmer, als seine Tochter Elizabeth aus unerklärlichen Gründen für immer aus seinem Leben verschwand. Für ihn und seine Frau beginnt eine endlose Tortur an Befragungen, Durchsuchungen der Nachbarschaft und hoffnungsvoller Warterei auf ein Zeichen - doch Elizabeth bleibt spurlos verschwunden und es gibt keinerlei Anzeichen, ob sie noch lebt oder nicht.

Doch auch als die Polizei die Suche aufgibt und seine Frau sich irgendwie mit dem Schmerz abfindet, findet Jeremiah keine Ruhe. Er ist so besessen von seiner Suche, dass er kaum registriert, wie sich seine Ehefrau mehr und mehr distanziert, bis sie ihn schließlich verlässt. In seiner Verzweiflung nutzt er auch Hilfsmittel wie Magie und verliert während eines Rituals fast sein gesamtes Augenlicht, ist dafür aber in der Lage, Geister und übernatürliche Wesen zu sehen. Diese neue Gabe hilft Hunt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Er hilft der Polizei bei der Untersuchung von Mordfällen und bekommt dadurch außerdem Einsicht in neue Erkenntnisse bezüglich Elizabeths Verschwinden.

Doch eine neue Mordserie ist anders: Der Täter versucht Jeremiahs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er Schmuckstücke hinterlegt, die Elizabeth gehörten ...

"Der Schattenseher" ist ein typischer Einstiegsroman in eine Serie. Und der Fokus des Erzählers ruht sehr intensiv auf Jeremiahs Entwicklung und Geschichte. Damit das nicht zu langweilig wird, werden die Erläuterungen vereinzelt als kleine Rückblenden zwischen die eigentliche Handlung, die seltsame Mordserie, eingestreut. Dadurch lernt der Leser Stück für Stück die Hintergründe kennen, bleibt aber dennoch, durch den Fortlauf der eigentlichen Erzählung, gespannt am Ball, da es scheint, als würden bald die Fäden von Jeremiahs Ermittlungen zusammenlaufen.

Der Charakter dieses Romans ist eine Mischung aus Privatdetektivroman und Fantasy. Die Welt ist düster und desillusionierend, und dennoch gibt es irgendwo ein kleines Stück Hoffnung. Mit Fortlauf der Geschichte führt Autor Joseph Nassise alle kleinen Details zu einem großen Bild zusammen, wobei es ihm gelingt, den Leser mit einigen Wendungen zu überraschen. Der Schreibstil ist schlicht und passt zu dem etwas mürrischen und wortkargen Helden, der die Figur des einsamen Wolfs verkörpert. Doch auch wenn die Geschichte insgesamt am Ende abgeschlossen ist, gibt es, für die weiteren Bände, ein offenes Ende, so dass man gespannt auf die Fortsetzungen sein kann.

Ein gut lesbarer Fantasy-Thriller, den man begeistert verschlingt.