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Die Filmregisseurin und Fotografin Leni Riefenstahl gehört zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sie war Teil des engeren Kreises um Hitler und machte für ihn Propagandafilme, nicht zuletzt jene, die das Dritte Reich im Rahmen der Olympischen Spiele 1936 verherrlichten. Doch trotz dieses pechschwarzen Flecks auf ihrer künstlerischen Weste ist es unmöglich, ihr keine Anerkennung für ihre Leistungen zu zollen.
In der Rowohlt-Monographie geht es im Wesentlichen um genau diesen Konflikt. Dabei zeichnet sich, wie der Verfasser Mario Leis aufzeigt, schon sehr früh in Riefenstahls Biografie ein eigenartiger Bruch zwischen Fiktion und Wahrheit ab: Riefenstahl, von einer relativ exzentrischen Mutter hinter dem Rücken des pragmatischen, dem "Establishment" angehörenden Vaters unterstützt, sieht für sich selbst eine Karriere als Tänzerin oder Filmschauspielerin voraus und schönt im Nachhinein die Ereignisse ganz ungemein.
Ein erheblicher Anteil des Buchs befasst sich mit den jungen Jahren der Riefenstahl und lässt deren Hang zu Ruhm und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erkennen, auch wenn sie als Tänzerin nicht an vorderster Front zu brillieren vermag und in den Bergfilmen ihres Mentors Fanck zwar sportliche Leistungen abliefert, als Schauspielerin jedoch nicht überzeugt.
Sehr gut vermag der Autor zu vermitteln, wie Riefenstahl in den Dunstkreis Hitlers gelangte und ihre einträgliche und privilegierte Stellung während des Nationalsozialismus erhielt, und wie sie dies nach dem Krieg, nicht nur während der Entnazifizierung, zu leugnen versuchte.
Riefenstahls spätere Jahre, insbesondere ihre Beschäftigung mit den Nuba im Sudan, werden eher knapp abgehandelt.
Wie alle Autoren, die sich mit jenen Figuren auseinandersetzen, die im Nationalsozialismus schillerten und danach nicht mehr recht auf die Beine kamen, muss Mario Leis den Spagat vollbringen zwischen politischer Korrektheit und adäquater Würdigung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die ihre Kunst auf ihre Weise vorangebracht und geprägt hat.
Riefenstahls unkonventionelles Wesen, ihr Eigensinn, der sie zunächst zu Auseinandersetzungen mit dem Vater führte und sie gerade deswegen ihren eigenen Weg finden ließ, wird in diesem Buch detailliert nachgezeichnet. Der Mut, den eine Frau im wilhelminischen und Weimarer Umfeld benötigte, um einen Weg zu gehen wie sie, zeigt sich sehr klar. Freilich betont der Autor – und, wie er anhand von Quellen nachweist, zu Recht -, dass Riefenstahl sich in ihren autobiografischen Aufzeichnungen stets besser hingestellt hat, als es der Wirklichkeit entsprach; vom Schneiden verstand sie als Filmregisseurin etwas.
Mit der gebotenen Präzision geht der Autor auf die Verwicklungen Riefenstahls in die nationalsozialistischen Machenschaften ein: ihre Rolle als williges Instrument der Propaganda, auch wenn sie dies immer hartnäckig geleugnet hat, aber auch ihren Protest gegenüber Gräueln an der Kriegsfront, dem der Einsatz von "Zigeunern" aus einem KZ in einem ihrer Filme gegenübersteht.
Leni Riefenstahl erscheint als widersprüchliche, im Rahmen ihrer narzisstischen Denkweise opportunistische Persönlichkeit, die es verstand, jede sich bietende Gelegenheit zur Profilierung ihres Selbst und zur Aufbesserung ihrer Finanzen zu nutzen. Liebschaften werden teils erwähnt, doch nicht hoch bewertet.
Womöglich etwas einseitig sieht die Auseinandersetzung des Autors mit Riefenstahls Nuba-Projekten aus. Hier werden der Filmemacherin und Fotografin eine Naivität und Selbstfixierung unterstellt, die zwar in das im Buch skizzierte Bild, jedoch im Einzelnen nicht zu Riefenstahls eindrucksvollen Fotos passen. Kurz, deren Qualitäten bleiben im Buch hinter der kritischen Auseinandersetzung mit ihrem "braunen" Hintergrund und ihrem Narzissmus etwas zurück.
Insgesamt aber weiß das Buch einen kurzen und prägnanten Eindruck von Riefenstahls Persönlichkeit, Werdegang und Wirken zu vermitteln, der durch viele Fotos unterstützt wird und definitiv Interesse an dieser außergewöhnlichen und umstrittenen Persönlichkeit zu wecken vermag.