Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
In ihrem neuen Roman entführt Ulrike Schweikert den Leser nach Wien, und zwar in das Wien des 19. Jahrhunderts. Während die feine Gesellschaft auf opulenten Bällen und bei Spielen das Geld verprasst, lebt ein großer Teil der Wiener in Armut und elenden Zuständen. Doch auch die Herren und Damen der oberen Schichten haben es nicht immer leicht. De Fürstin Therese versucht beispielsweise alles, um ihrem Dasein an der Seite eines jähzornigen, scheinbar gefühlskalten Mannes ein wenig Freude abzugewinnen. Unverhofft tritt ein gut aussehender, charmanter Graf in ihr Leben (und in die Geschichte): der geheimnisvolle Andras Bathory aus Siebenbürgen. Zusammen mit Therese lernt der Leser Andras kennen, der nach und nach in den Mittelpunkt des Romans rückt.
Andras ist ein Vampir, der, wie es scheint, nicht so leicht in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht werden kann und außerdem kaum enge Kontakte zu Menschen knüpft. Doch in Wien lernt Andras neben der lebenslustigen Fürstin Kinski auch die junge, mittellose Pianistin Karoline und ihre blinde Tochter Sophie kennen. Karoline führt ihn in die Musik ein, bringt ihm Klavierspielen bei und Sophie hat ein weitaus besseres Gespür für Andras' wahre Natur als ihm selbst geheuer ist.
Als es jedoch in seinem direkten Umfeld zu mehreren Morden kommt und sich blutige Messer als höhnische Grußbotschaften auf seiner Türschwelle finden, wird Andras langsam klar, dass er dort verwundbar ist, wo ihm Menschen lieb und teuer geworden sind. So kämpft er bald darum, diejenigen zu beschützen, die er liebt.
Was „Das Herz der Nacht“ spannend macht, ist die schrittweise Entwicklung der Charaktere. Vor allem Andras, der im Zentrum des Romans steht, lernt der Leser erst nach und nach kennen. Eigentlich erst, als er über Karolines Pianounterricht die Musik für sich entdeckt, hat man als Leser das Gefühl, ihn zu verstehen. Und doch entdeckt man später, das man ihn damit als Person noch lange nicht entziffert hat. Die Menschen, die ihn umgeben - Therese, Karoline und Sophie - sind ebenfalls interessante Charaktere, wobei sie im Roman neben Andras ein wenig verblassen.
Dafür ist das Wien des 19. Jahrhunderts, das die Autorin heraufbeschwört, sehr lebendig. Man kann als Leser vor seinem geistigen Auge beinahe die pompösen Bälle sehen, die Droschken in den verschneiten, von Gaslampen beleuchteten Straßen, Karolines kleine Mietwohnung und die düsteren Katakomben, die Andras mit Sophie besucht.
Vielleicht liegt es daran, dass das Ende dann seltsam losgelöst vom Rest des Romanes wirkt, da Schweikert dieses an einem anderen Ort stattfinden lässt. Das ist einerseits eine interessante Abwechslung in der Kulisse, andererseits wirkt es ein wenig abrupt, da die Erzählung von der vorhergehenden Entwicklung wegspringt und die zuvor beschriebene Szenerie mit ihren bekannt gewordenen Nebenfiguren fallen lässt.
Alles in allem bietet „Das Herz der Nacht“ eine recht faszinierende und abwechslungsreiche Lektüre, ein Roman in den man so richtig schön eintauchen kann - auch wenn das Finale sich ganz anders gibt, als erwartet. Am Ende ist man sogar ein wenig unwillig, diese verschneite Stadt der Vergangenheit, in der in jeder Ecke ein Schatten zu lauern scheint, zu verlassen.