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Als Erich Kästner ein kleiner Junge war, gab es zwar auch schon eine Straßenbahn, die auf Schienen lief und Menschen transportierte, allerdings wurde diese Straßenbahn noch von Pferden gezogen, weshalb sie Pferdebahn hieß. Es gab auch einen deutschen Kaiser mit einem hochgezwirbelten Schnurrbart und einen sächsischen König, dem die Frau mit einem italienischen Geiger davongelaufen war.
Fünfzig Jahre später beschloss Erich Kästner, ein Buch über seine Kindheit zu schreiben. Denn auch wenn sich in einem Leben viele Dinge ändern, so habe es schon immer Schulaufgaben gegeben und Jahreszeiten und die Liebe zwischen Eltern und Kinder – über all das wollte der Autor schreiben. Und so erfährt der Leser nicht nur etwas über die Kindheit des Erich Kästner, sondern auch über den Alltag zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Erich Kästners Vater Emil war Sattler und arbeitete in einer Dresdner Kofferfabrik. Obwohl er von morgens bis abends schuftete, reichte das Geld nicht aus. Erichs Mutter Ida musste Geld dazuverdienen, zusätzlich vermietete die kleine Familie ein Zimmer ihrer ohnehin schon kleinen Wohnung an Lehrer unter. Auch wegen der Untermieter und des Tellers mit drei Spiegeleiern auf Wurst und Schinken, den sie abends von Erich ins Zimmer getragen bekamen, beschloss der Junge schon sehr früh - schon bevor er selbst zur Schule ging -, später einmal Lehrer zu werden. Doch um Lehrer zu werden, musste man das Internat bezahlen und das Schulgeld und den Klavierunterricht - und das Klavier auch. Und obwohl Ida Kästner schon über fünfunddreißig Jahre alt war, beschloss sie darum, schließlich einen Beruf zu erlernen, um so ihre Familie besser unterstützen zu können, und wurde Friseurin.
Nicht alle Erlebnisse von Kindern, so der Autor im Vorwort, seien auch für Kinder zum Lesen geeignet. Das heißt aber nicht, dass Erich Kästner seinen kindlichen Kummer unter den Tisch fallen lässt. Denn auch wenn dieses Buch vor allem eine Hommage an seine Mutter ist und der Autor mehr als einmal ein Loblied auf sie und ihre Liebe anstimmt, schreibt er auch von den Momenten, in denen die Verzweiflung seiner sonst so starken Mutter ihm unglaubliche Angst machte.
Wer immer Kästners Gedichte oder Kinderbücher mag, wird auch von seinen Kindheitserinnerungen nicht enttäuscht sein. Leser erfahren hier einiges über Erich Kästners - trotz gelegentlichen Kummers – glückliche Kindheit, über seine Eltern und andere Verwandte, zum Beispiel die reichen Augustins.
Erich Kästner hat schon immer Groß und Klein gleichermaßen begeistern können und tut das auch in diesem Buch. Für Kinder ab dem höheren Grundschulalter wäre eine gemeinsame Lektüre mit den Eltern, die unbekannte Begriffe wie Monarch, Grenadier oder Revue erklären können, am besten. Doch man muss natürlich keine Kinder haben, um als Erwachsener Gefallen an Erich Kästners Erinnerungen zu finden und an seiner ihm eigenen Sprache, die ohne Schnörkel auskommt, beinahe naiv anmutet, es dabei aber niemals ist und über deren Einfachheit, Humor und Eleganz man immer wieder ins Schwärmen geraten kann.