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 Drei Stern Rot

Einmal Grenzer, immer Grenzer


Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Bildqualität
Extras
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Es ist nur ein Film, den Christian Blanks alter Freund Schrubber in Berlin dreht, aber die reißerische Art und Weise, mit der der Kameramann das Verhalten von DDR-Grenzsoldaten darstellt, macht Christian aggressiv. Schrubber war zu Zeiten der DDR über die Grenze geflüchtet und ist jetzt der Meinung, dass die Nachwelt wissen sollte, wie das damals an der Grenze war. Allerdings haben Schrubbers Vorstellungen über das Verhalten eines Grenzsoldaten wenig mit der Realität zu tun, und deshalb geraten Christian, der einen dieser Grenzer spielen soll, und Schrubber aneinander. Denn Christian hat den Alltag an der Grenze damals selber miterlebt.

Dann taucht am Set auch noch ein anderer Schauspieler auf, der Christian an seinen alten Ausbilder und Vorgesetzten Nattenklinger erinnert. Christian dreht durch, greift den Mann an und verletzt ihn. Er selber erwacht in einem Gebäude nahe des Drehortes wieder auf und wird dort von der Psychiaterin Pamela Wehmann versorgt. Mit ihr taucht Christian in seine Vergangenheit ein, wobei die Erinnerungsfetzen sich erst wirr und ohne Sinn aneinanderreihen, dann aber immer strukturierter werden:
Christian wollte studieren, und da war es in der DDR sehr hilfreich, wenn man einige Jahre gedient hatte. Diese Erkenntnis musste aber erst mal in seinen rebellischen Punker-Schädel hinein. Hilfreich hierbei war die Beziehung zu Jana. Sie dachten sich eine tolle Zukunft aus, aber irgendwie kam alles anders, und ihre Beziehung litt darunter, dass Christian nur selten Urlaub bekam.
Ein anderes Problem war Nattenklinger. Der strenge und undurchsichtige Major war Christian durchaus wohlgesonnen, aber man konnte nie sicher sein, ob das nur ein Spiel war.

Dieses zwiespältige Verhältnis zu seinem Vorgesetzten lässt Christian später nicht mehr los, verfolgt ihn auch nach dem Fall der Mauer. Nach und nach stellt die Psychiaterin fest: Nattenklinger, den sie zu Beginn der Sitzung als Hirngespinst angesehen hatte, ist für vieles verantwortlich, was in Christians Leben schiefgelaufen ist.

Ein Ossi erklärt einer Psychiaterin aus dem Westen die DDR, und gemeinsam gehen sie seiner Obsession auf den Grund, die um diesen Nattenklinger kreist. Der erste Einstieg in die Erinnerungen des Christian Blank, gespielt von Rainer Frank, ist wirr und entspricht dem labilen geistigen Zustand der Hauptfigur. Frank stellt intensiv und doch unaufdringlich den Wandel vom Naivling mit großen Träumen zum desillusionierten Grenzsoldaten dar, der in die Mühlen der Stasi gerät. So zeigt „Drei Stern Rot“ – der Titel wird im Film erklärt – nicht nur das Schicksal eines DDR-Bürgers, sondern auch die Hilflosigkeit, mit der ein ganzes Volk dem nahezu lückenlosen Verwaltungs- und Überwachungsapparat der sozialistischen Regierung gegenüberstand.

Allerdings sollte man als Zuschauer nun nicht blind glauben, das Gezeigte sei die pure Realität. Zum einen sind viele Elemente satirisch gedreht und wirken überspitzt, auch weil die Figuren, die Christian Blank umgeben, allesamt schräge Gestalten sind. Zum anderen bleibt angesichts der ersten Sequenzen des Films ein leiser Zweifel: Dort dreht jemand seine Erfahrungen mit der deutsch-deutschen Grenze in einer realitätsfernen und überdramatisierten Art und Weise – wer sagt uns, dass selbiges nicht auch auf „Drei Stern Rot“ zutrifft? Das heißt, man muss filtern und sollte sich nicht an Details festhalten: Hier geht es darum, eine Gesamtsituation darzustellen, in die man als Wessi nur schwerlich Einblick erhalten konnte. Die Erfahrungen des Drehbuchautors Holger Jancke, der seinen Grundwehrdienst als Grenzsoldat der DDR absolviert hat, helfen dabei, wie aus dem Pressematerial hervorgeht, das auf der DVD als PDF-Datei beigelegt ist.

Daraus geht hervor, dass das Gezeigte eine Mischung aus Realität und Überspitzung des Grenzerlebens ist, um zu zeigen: Das Leben an der Grenze war absurd, ein Wahnsinn, aus dem es kein Entfliehen gab. Genau das gibt der Film mit teils verstörenden Bildern und mit einer hervorragend agierenden Crew zumeist eher weniger bekannter Darsteller wieder, aus der Dietmar Mössmer als Nattenklinger auf beunruhigende Weise hervorsticht.

Bonusmaterial gibt es außer der besagten, sehr informativen pdf-Datei nicht, wenn man von Trailern zum Film und der unumgänglichen Epix-Trailershow. Der Depeche-Mode-Song, der das Menü untermalt, führt gut in die manchmal düstere und skurrile Stimmung des Films ein.

„Drei Stern Rot“, eine Hoferichter & Jacobs GmbH Produktion in Zusammenarbeit mit dem ZDF von 2001 und mit einigen Filmpreisen ausgezeichnet, ist keine Komödie, eher ein locker und mit Sinn für Sarkasmus inszeniertes Drama. Nicht alles muss der Realität entsprechen, allerdings fällt es besonders als Wessi nicht schwer, dem Film abzukaufen, dass das Gezeigte der Wahrheit sehr nahe kommt, nicht zuletzt, weil der Drehbuchautor Jancke seine eigenen Erfahrungen und Eindrücke untergebracht hat. Der Film ist gekonnt inszeniert, das ganze Projekt stimmt nachdenklich. Und es zeigt: Ein Westdeutscher wird wohl nie ein Verständnis dafür entwickeln können, wie das Leben in der DDR gewesen ist.

Stefan Knopp

Probe



DVD | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 4047879400902 | Erschienen: 27. November 2009 | FSK: 12 | Laufzeit: 88 Minuten | Preis: 14,09 Euro | Sprache: Deutsch

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