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Der Horror-Autor Larry Dunbar, seine Frau Jean sowie seine Freunde Barbara und Pete entdecken in einer verlassenen Wüstenstadt ein heruntergekommenes Hotel, das mit einem neuen Vorhängeschloss gesichert ist. Von Neugier getrieben, brechen sie in den baufälligen Kasten ein und entdecken unter einer morschen Treppe einen Sarg mit einer mumifizierten Frauenleiche darin, in deren Herz ein hölzerner Pfahl steckt. Entsetzt, aber auch höchst fasziniert treten die vier den Rückweg an, doch die Entdeckung der Leiche lässt Larry und Pete nicht mehr los. An einem Wochenende, während dem Larrys Frau Jean und die gemeinsame Tochter Lane verreist sind, machen sich der Schriftsteller und Pete erneut auf den Weg in die Wüste. Sie nehmen den Sarg mit der gepfählten Leiche mit sich und verstecken ihn auf dem Speicher über der Garage der Dunbars. Überwiegt anfangs noch die Abscheu vor diesem grotesken Kadaver, so erliegt Larry mehr und mehr der morbiden Faszination. Durch einen Ring findet er heraus, dass es sich um den Leichnam von Bonnie Saxon handelt, die 1968 spurlos verschwunden ist, ebenso wie zwei weitere junge Frauen. Ist es das Resultat eines Wahnsinnigen, der Vampire für den Tod seiner Frau und seines Kindes verantwortlich macht? Larry Dunbar gerät immer weiter in den Bann der Toten. Währenddessen verstrickt sich seine Tochter Lane in dem Netz eines skrupellosen Psychopathen, der selbst vor dem Heim seiner Opfer nicht zurückschreckt …
„Der Pfahl“ wurde bereits vor zwanzig Jahren von Richard Laymon in den USA veröffentlicht. Damals war der Autor in Deutschland nicht sonderlich populär, was die Verzögerung der deutschen Übersetzung erklären dürfte, denn der Roman ist weder übermäßig brutal noch besonders schlüpfrig. Nichtsdestotrotz nimmt Laymon kein Blatt vor den Mund, vermeidet es aber gekonnt, die Charaktere bemüht sexbesessen erscheinen zu lassen. Die Erotik wirkt in diesem Fall sehr natürlich und keineswegs störend.
Auch die Darstellung der Figuren ist dem Autor glänzend gelungen. Vor allen Dingen Larrys Nachforschungen und seine Faszination von Bonnie wurden sehr intensiv und authentisch beschrieben. Eine kleine Meisterleistung von Richard Laymon, der am 14. Februar 2001 leider viel zu früh verstorben ist. Der vorliegende Roman ist kein typischer Vampirroman, tatsächlich wird das auf dem Klappentext angekündigte Entfernen des Pfahls erst auf den letzten Seiten zelebriert. Dennoch besitzt das Buch praktisch keine Längen, denn die Handlungen der Charaktere sind derart fesselnd und nachvollziehbar beschrieben, dass man es kaum erwarten kann weiterzulesen. Sicherlich hätte man den Roman eventuell um fünfzig oder hundert Seiten straffen können, doch viel mehr hätte es auch nicht sein dürfen. Einen Großteil des Buches nimmt der Part von Lane Dunbar ein, der zweiten Hauptfigur neben Larry. Hat ihre Begegnung mit einem triebhaften Psychopathen in der Maske des sympathischen Klassenlehrers zunächst nichts mit dem gepfählten Leichnam zu tun, so werden die Handlungselemente im Finale geschickt miteinander verflochten, und zwar gänzlich anders, als man das erwarten würde. Der Pfahl als solcher ist natürlich als Phallussymbol omnipräsent und Larrys Zögern resultiert weniger aus der Angst davor, dass die Tote aus dem Sarg steigen könnte, sondern aus den Schuldgefühlen gegenüber seiner Familie, denn durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Leben von Bonnie Saxon verspürt Larry Dunbar eine tiefe, emotionale Verbundenheit mit der Leiche, die bis hin zu sexuellem Begehren reicht. Die schonungslose Brutalität erleben in diesem Fall die Opfer des geistig gestörten Killers, der auch Lane Dunbar nachstellt. Hier erlebt der Roman seinen grausigen Höhepunkt in der Ermordung einer Mitschülerin von Lane. Ein ungewöhnliches, fesselndes Lesevergnügen mit einem überraschenden Finale.
Die äußere Gestaltung ist der ideale Blickfang und macht den Leser bereits von Weitem neugierig. So prägnant der Titel ist, so kunstvoll ist auch das Covermotiv. Ein blutiger Pfahl auf dem ausgetrockneten Wüstenboden. Das Buch liegt, wie immer, hervorragend in der Hand und glänzt mit einem augenfreundlichen Satzspiegel. Nur die Fülle an Druckfehlern (Lary statt Larry, Muter statt Mutter) trübt das Lesevergnügen.
Fazit:
Ungewöhnlicher Vampirthriller mit überraschendem Finale. Glaubhafte Charaktere in zwei nebeneinander verlaufenden Handlungslinien, die sich am Ende überschneiden. Ein Roman, den sich kein echter Laymon-Fan entgehen lassen sollte. Nichtsdestotrotz mehr Thriller als Horror.