Das Ruhrgebiet ist mit über fünf Millionen Menschen einer der dicht besiedelsten Ballungsräume in Europa. Auch wenn viele Personen dieses Gebiet immer noch als Hochburg von Kohle und Stahl ansehen und sich in ihren Köpfen Bilder von rußgeschwärzter Wäsche abspielen, so hat sich das Ruhrgebiet vor allem in den letzten 20 Jahren zu einer Metropolregion mit attraktiven Großstädten gemausert. Die alten Industrieanlagen, wie zum Beispiel die Zeche Zollverein, wurden teilweise unter Denkmalschutz gestellt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Bewerbung Essens um den Titel „Kulturhauptstadt 2010“ zeigt, dass das Ruhrgebiet den Strukturwandel auch durch die Förderung der Kulturwirtschaft schaffen will, getreu dem Motto „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“.

Auch wenn es mittlerweile viele gute und ausführliche Reiseführer über das Ruhrgebiet gibt, fehlt es so mancher Literatur an tiefer gehenden Einblicken. Was macht die Menschen, die Stadtbilder, die Sprache in Essen, Dortmund, Bochum oder Gelsenkirchen aus? Peter Erik Hillenbach kreiert eine „Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet“, die durch den stetigen Wandlungsprozess des Gebiets vor kurzem neu aufgelegt wurde.

Hillenbach ist ein echter Ruhrgebiets-Insider: Er wurde zwar in Vancouver/Kanada geboren, wuchs aber in Bochum und Herne auf. Er prägte in den neunziger Jahren das Ruhrgebietsmagazin „Marabo“, arbeitet und lebt heute in Dortmund. Hillenbach hat den Wandel des "Potts" miterlebt und beschreibt diesen aus einer Innensicht heraus, wie es kaum ein anderer könnte. Mit viel Witz und Charme erzählt er Vergangenes und Aktuelles, zeichnet typische Charakterbilder der „Ruhries“ nach und geht auf zahlreiche Themen ein. Neben der Entwicklung der verschiedenen Städte, kommt auch das Thema Fußball nicht zu kurz. Das Diskutieren über die Ergebnisse der im einen Jahr mehr, im anderen Jahr weniger erfolgreichen Traditionsvereine Borussia Dortmund, Schalke 04 und VfL Bochum gehört für die Menschen im Ruhrgebiet ebenso zum Alltag, wie die Zeitung „anne Bude umme Eck“ oder die Currywurst mit „Pommes-Schranke“. Die vielen kleinen Insidertipps, die Hillenbach im Laufe seiner gedanklichen Reise gibt, sind für Besucher des Ruhrgebiets Gold wert. „Curry Heini“ etwa, ein traditionsreicher Imbiss in Waltrop existiert schon seit den Kindertagen des Autors und ist sicher einen Besuch wert.
Das Buch ist in viele kleine Kapitel unterteilt. Einige der Kapitel wurden von Freunden Hillenbachs geschrieben, darunter auch der Abschnitt „Straße voller Menschen“ vom Komiker Helge Schneider. „Das Ruhrgebiet wird hoffentlich nie fertig“, so sinniert Schneider in seinem Beitrag.

Nicht immer erahnt der Leser aus den Überschriften der Kapitel, um welches Thema es sich handelt. Wer weiß denn schon mit der Überschrift „Klappstuhl statt Kanonen“ etwas anzufangen? Die Tatsache, dass es sich um den schwedischen Möbelgiganten IKEA handelt, der in einer ehemaligen Essener Krupp-Halle seinen Platz gefunden hat, animiert den Leser darüber nachzudenken , ob dies wirklich als zivilisatorischer Fortschritt zu werten ist.
Hillenbach gelingt es, durch eine gute Beobachtungsgabe Situationen zu erfassen und zu beschreiben. Im Kapitel „Mit Bus und Bahn im Dauerstau“ beschreibt er eine Szene in einer Straßenbahn so realistisch, dass der Leser sich beim Aufblicken wundert, nicht selbst in eben dieser Straßenbahn zu sitzen und den Blick schweifen zu lassen. Die Bilder des Ruhrgebiets erscheinen ehrlich und zu keiner Zeit überzeichnet.

Besonders die leise Kritik, beispielsweise an den Plänen zur Kulturhauptstadt 2010, zeichnet die „Gebrauchsanweisung“ für das Ruhrgebiet aus. Immer wieder werden bestimmte Projekte und der Nutzen für die Region kritisch betrachtet. Genau dies macht das Buch authentisch und nicht zu einer weiteren plakativen Werbebroschüre für die „Metropole Ruhr“.

Hillenbach schreibt in einem flotten, lustigen und zugleich persönlichen Stil. Jeder „Ruhri“, der dieses Buch in die Finger bekommt, wird sich selbst bestimmt an einigen Stellen wiedererkennen und schmunzeln. Für alle anderen Leser, die mehr über das Ruhrgebiet erfahren möchten oder gar einen Besuch planen, bietet die Gebrauchsanleitung einen perfekten Einstieg um das Ruhrgebiet besser kennen zu lernen.