Anne und Gilbert, die nach ihrer Hochzeit aus Avonlea fortgezogen sind, haben sich inzwischen im malerischen Küstenörtchen Four Winds eingelebt. Der Geschichtenerzähler und Leuchtturmwärter Captain Jim ist ein gerngesehener und häufiger Gast bei dem jungen Ehepaar und auch mit der exzentrischen Junggesellin Cornelia Bryant hat Anne inzwischen Freundschaft geschlossen. Während Gilbert tagsüber in der nicht weit entfernten Arztpraxis, die er übernommen hat, arbeitet, hat Anne viel Zeit, die Umgebung ihres neuen Zuhauses zu erkunden. Bei einem ihrer Ausflüge trifft sie auf die beinahe überirdisch schöne Leslie Moore. Sie ist die junge Frau, die ihr bei ihrer Ankunft in Four Winds bereits einmal über den Weg gelaufen ist und die sie damals aus unerfindlichen Gründen mit einem hasserfüllten Blick gestreift hat. Die Leslie, die Anne am Strand von Four Winds kennenlernt, scheint ihr jedoch gar nicht feindselig gesinnt zu sein. Melancholie umgibt die junge Frau mit den traurigen Augen, die es durch ihre verschlossene Art auch einem Charmebolzen wie Anne nicht leicht macht, zu ihr durchzudringen. Und doch beschließt Anne, das Geheimnis, das Leslie umgibt, zu lüften und die Freundschaft der jungen Frau zu gewinnen …

"In guten wie in schlechten Zeiten" ist ein sehr treffender Titel für die mittlerweile 18. Episode der auf 20 Teile angelegten Anne Hörspielserie. Im Verlauf der 64 Minuten durchleben Anne und Leslie nämlich Freud und Leid. Dabei wird Leslie Moore, die neue Figur (stimmlich sehr passend verkörpert von Melanie Pukaß), zu einem dunklen Spiegelbild der lebenslustigen Anne. Still und in sich gekehrt besitzt sie zwar die Schönheit, von der Anne in ihren Mädchen- und Backfischjahren immer geträumt hat, die Traurigkeit und Einsamkeit, aus der sie sich nicht befreien kann, steht allerdings im starken Kontrast zu Annes frischer, lebendiger und liebevoller Art. Auch die noch junge, sehr harmonische Ehe von Anne und Gilbert ist so ganz anders als die Ehe, die Leslie führt. Durch sie begreift Anne, das Schönheit nicht alles ist, wie viel Glück sie selbst trotz der harten Kindheitsjahre im Waisenhaus und vor Avonlea hatte – und wie wichtig es ist, niemals aufzugeben. Durch das Verarbeiten solcher Themen wird die Hörspielepisode erwachsener als etwa die turbulenten, auf lustige Ereignisse setzenden Folgen der frühen Staffeln, ohne ihren Charme zu verlieren.

Inzwischen hat man sich auch an das neue Setting gewöhnt, an dem der Roman spielt. Wer Avonlea und die von Apfelbäumen umgebene Farm Green Gables, auf der Anne groß geworden ist, allzu sehr vermisst, freut sich sicher darüber, dass Anne und Gilbert in den Weihnachtsferien Besuch aus Avonlea erhalten. Auch wenn man sich – wie die Protagonisten des Hörspiels – inzwischen an die Bewohner von Four Winds gewöhnt hat – so ist es doch schön, die altvertrauten Stimmen von Dagmar von Kurmin (Marilla) und Regina Lemnitz (Rachel) zu hören.

"In guten wie in schlechten Zeiten" ist die gelungene Episode einer großartigen Serie und sogar etwas stärker als die vorherige, mit der die letzte Anne-Hörspielstaffel gestartet ist. Wenn die Qualität in den beiden kommenden Episoden ähnlich gleich bleibt, wird die Serie auf hohem Niveau enden.