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Mount and blade - frei übersetzt hieße das in etwa: Steig aufs Pferd und zücke dein Schwert. Selten gibt es Computerspiele, die ihren Inhalt so treffend umschreiben. Denn "Mound & Blade: Warband", entwickelt von der türkischen Softwareschmiede Taleworlds und von den schwedischen Strategiepublishern Paradox Interactive auf den Markt gebracht, ist ein Spiel für Puristen. Kein echtes Rollenspiel, kein echtes Actionspiel, kein echtes Strategiespiel, keine echte Simulation - auch wenn es Anteile all dieser Genres vereint, sich dabei aber auf einzelne Bereiche konzentriert ... und dies so exzellent, dass "Mount & Blade" sich vom Geheimtipp zum absoluten Kultspiel entwickelt hat.
In "Mount & Blade" reist ein einsamer Held durch Calradia, eine mittelalterliche Welt, in der mehrere Königreiche einen ewigen Krieg gegeneinander ausfechten - jeder gegen jeden. Neben den mitteleuropäisch angehauchten Reichen Swadia und Vaegir gibt es auch ein nordisches Reich, eine Art Sultanat (das die türkischen Entwickler mit besonderer Liebe ausgestaltet haben) und ein der Mongolei ähnliches Khaganat. Die Herrscher dieser Länder werfen an allen Fronten ihre Mannen ins Feld, erobern Burgen, plündern Dörfer, kurz: versuchen sich gegenseitig zu unterwerfen. Und mittendrin: der einsame Held. Er kann sich nun entscheiden, wie er in dieser waffenstarrenden Welt überleben will. Etwa als Händler, der auf eigene Faust zwischen den Städten umher reist und seine Waren anpreist (und mit dem Schwert verteidigt). Oder als Söldner, der sich für eines der fünf Reiche verdingt. Oder als freier Wegelagerer, der aus dem Hinterhalt zuschlägt und sein eigenes Süppchen kocht. Dazu heuert er einfach in der nächstbesten Stadt ein paar Bauernlümmel an, drückt ihnen ein paar Waffen in die Hand - und los geht's. Mount and blade!
Was in dieser Zusammenfassung recht simpel klingt, ist im Spiel deutlich vertrackter. "Mount & Blade" simuliert nämlich nicht nur die Welt Calradia mit einem hohen Grad an Realismus, mittelalterlicher Kälte und Härte. Auch die Kämpfe sind fern von jeglicher Actionspiel-Einheitsware. Mit Schwert, Schild, Speer, Bogen und Armbrust stellt man sich seinen Feinden entgegen und muss dabei geschickt blocken, zielen, nachladen, in Deckung gehen, muss sich in taktischem Rückzug und Überraschungsangriffen üben. Die Steuerung ist dabei leicht zu erlernen und schwer zu meistern. Noch härter ist der Kampf zu Pferd. Zwar kann man mit eingelegter Lanze seine Gegner einfach über den Haufen reiten, aber das Tier ist bockig, braucht eine Zeit, um aus dem Galopp abzubremsen und zu wenden. So realistisch wurde der Kampf im Sattel wohl noch nie dargestellt.
Zwischen den einzelnen Städten reist man per Übersichtkarte hin und her; begegnet man unterwegs einem anderen Reisenden oder einem Trupp, wechselt das Spiel in die 3D-Ansicht und eröffnet so die Chance für Verhandlungen, Angriffe und spontane Verbrüderungen. In den Städten wiederum agiert man mit zahlreichen Personen, mit denen man handeln oder die man anheuern kann, oder die dem Spieler einen Auftrag erteilen. Diese Aufträge sind allerdings deutlich schlichter und pragmatischer gehalten als in vergleichbaren Rollenspielen. Gerade in der Startphase dienen sie aber als Orientierung und vermitteln dem Helden die Welt, in der er sich fortan bewegt. Später ist es dann allerdings reizvoller, auf eigene Faust mit seiner "Warband", seinen Mannen, loszuziehen und eine feindliche Burg anzugreifen. Dabei erteilt man den einzelnen Truppenteilen per F-Tasten grobe Befehle (Stellung halten, angreifen, mir folgen, Rückzug) und greift dann selbst nach Schwert oder Knüppel, um gegen die Burgmauern anzurennen. Auch hier: Der Realismus ist überwältigend, das Gefühl, mitten drin im Gefecht zu sein, ist berauschend.
Und das alles trotz einer Grafik, die man auch bei wohlwollendem Blick als völlig überholt bezeichnen muss. Taleworlds 3D-Engine ist alles andere als hübsch, läuft dafür aber flüssig und ist detailliert genug, um den Spieler zu fesseln. Unterschiedliche Vegetationszonen, Regen, Schnee und Matsch werden gut dargestellt. Auch die Soundkulisse überzeugt mit ihren Kriegsrufen, dem Waffenklirren und Pferdewiehern. Dennoch - wer ein Grafikbonbon mit aufwendiger Schatten- und Lichtsimulation sucht, ist hier fehl am Platz. "Mount & Blade" konzentriert sich ganz auf die spielerische Freiheit seiner simulierten Welt, in der man übrigens auch als Minneritter um die Gunst schöner Damen buhlen, diese ehelichen und eine neue Adelslinie begründen, ja, sogar selbst zum König eines Reichs aufsteigen kann. Bis dahin werden allerdings manche Stunden im Sattel vergehen - "Mount & Blade" frisst Zeit wie ein Gaul frisches Heu.
Während das Hauptspiel "Mount & Blade" schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist "Warband" eine selbstlaufende Expansion, die allerdings alle Inhalte des ursprünglichen Spiels enthält, jedoch um eine Multiplayervariante ergänzt wurde. Darin zieht man mit ein paar Dutzend Spielern los, um zusammen oder gegeneinander Gefechte auszutragen. Auch dieser Part überzeugt - wenn sich auch auf den Taleworld-Servern schon so viele Experten tummeln, dass man als Neuling schneller im Staub liegt, als man "Mount & Blade" sagen kann.
Der Multiplayer-Part bringt auch das größte Ärgernis mit sich, nämlich die Pflicht, das Spiel über die Online-Plattform Steam zu aktivieren ... auch dann, wenn man die Boxed-Version von Koch Media erworben hat. Das ist eine ziemliche Unverschämtheit, zumal man auf der Verpackung nur dünn auf die Online-Registrierung hingewiesen wird. Über Steam hingegen schweigt die Verpackung - und auch darüber, dass man "Mount & Blade" auch nur über Steam starten kann. Zwar lässt sich diese Fesselung durch einen Trick später umgehen; trotzdem stößt diese Zwangs-Dampfanbindung sauer auf, zumal man sie vom Publisher Paradox Interactive nicht gewöhnt ist. Sie verwehrt "Mount & Blade" schließlich auch den - eigentlich verdienten - fünften Stern in der Wertung.
Von den unfairen DRM-Maßnahmen abgesehen ist "Mount & Blade: Warband" ein echtes Juwel. Ungeschliffen, dreckig, mit scharfen Kanten - aber wer sich den Edelstein erst einmal an die Lederrüstung geheftet hat, wird ihn nicht mehr missen wollen. Also - steig aufs Pferd und zücke dein Schwert! Die Welt Calradia wartet.