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Anton ist schon als Kind ein kleiner Außenseiter. Das ändert sich, als es ihm gelingt, sich mit Tobias anzufreunden. Von da an sind die beiden unzertrennlich, nach dem Tod von Tobias’ Vater zieht Tobias als Teenager sogar bei Anton und seiner Familie ein. Die anderen können diese Freundschaft nicht immer nachvollziehen, schließlich ist Tobias der gutaussehende, schlagfertige Nachwuchsfußballer, während Anton immer unscheinbar und schüchtern ist und nur als Schauspieler auf der Bühne aus sich heraus kommen kann. Gemeinsam wachsen die beiden auf und heran, durchleben die Qualen der Pubertät, Antons Aufnahmeprüfungen an den Schauspielschulen und Tobias’ Coming-Out.
Als die Palästinenserin Samar in Antons Leben tritt, scheint alles perfekt zu sein, noch nie hat er so sehr geliebt. Doch Samar liebt die Freiheit mehr als ihn und ausgerechnet, als sie ihn verlässt, macht sich auch Tobias rar und Anton ist zum ersten Mal in seinem Leben wirklich allein in einer schwierigen Situation.
"Rückenwind" ist bezaubernd – zauberhaft, wie Samar so gerne sagt -, großartig, faszinierend und bewegend zugleich. Es ist eine Liebeserklärung an die Freundschaft, die Liebe selbst, die Geschichte von der Liebe zur Familie, zur Heimat und zur ganz persönlichen Bestimmung.
Die Charaktere des Romans sind genau so skurril und merkwürdig wie reale Menschen, haben ihre Stärken, Schwächen, Spleens und Besonderheiten. Dabei sind sie dem Leser nah, fast freundet man sich selbst mit ihnen an, während man mitleidet. Sei es Tobias, der Fußballspieler, der seine Homosexualität aus Angst vor den Kollegen lange geheim hält, oder Anton, der immer schüchtern ist und nur auf der Bühne aufblüht, bis er Samar trifft, diese geheimnisvolle und faszinierende Frau, die so viel von der Welt sehen will wie möglich. Auch Antons Großeltern mit ihrer unkonventionellen Ehe und dem Mut, sich auch in hohem Alter noch Freiheiten zu nehmen, nehmen den Leser für sich ein.
Max Urlacher schreibt ungeheuer bewegend und rührend, seine Einfälle und Charaktere sind trotz der Skurrilität, die sie teilweise aufweisen, immer echt und aus dem Leben gegriffen. So zeigt sein Roman, dass das Leben anders verläuft als man plant, dass man manchmal sein Glück in der gesamten Welt suchen muss und es doch stets da bei dem Freund findet, dem man am meisten vertraut, auch wenn diese Glücksfindung manchmal anders aussieht als gedacht.
"Rückenwind" ist ein emotionales Buch. Von einem Gefühl ins nächste wird man gestürzt, von Antons Freude über die Aufnahme an der Schauspielschule zu Tobias’ Entsetzen über seine eigene Verletzung, vom Aufbruchswillen der Großmutter zur Einsamkeit des Großvaters. Über allen Ereignissen steht als verbindender Bogen die Freundschaft von Anton und Tobias, die an einem Sommertag in der Kindheit ihren Anfang nimmt und auch auf einem Friedhof in Berlin nicht endet, sondern sich lediglich verändert, trotz aller Höhen und Tiefen, die diese Freundschaft über die Jahre überstehen musste und die der Leser hautnah miterleben darf.