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Achtung: Die Ereignisse am Anfang von "Die schwarzen Wasser von Venedig", dem dritten Band der Serie "Das Einhorn" von Szenarist Mathieu Gabella und Illustrator Anthony Jean, beziehen sich unmittelbar auf das dramatische Ende des zweiten Bandes "Ad naturam". Wer dieses Album und Band eins "Der Tempel des Asklepios" noch nicht gelesen hat, sollte die folgende Inhaltsangabe überspringen.1565: Paracelsus, die Tochter des verstorbenen Fracastor und einige der Primordialen haben die Feuersbrunst, die ihre kirchlichen Gegner in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand angerichtet haben, überlebt. Doch der Preis ist hoch. Sie mussten Ambrosius Paré, ihren Anführer und treuen Freund, in den Tiefen des Forschungslabors, weit unter den Gewölben des Gotteshauses, zurücklassen. Sie hasten nach Venedig, um die Kirche und den Dogen aufzuhalten. Paré aber hat nicht nur überlebt, er rettet den Freunden auch in Venedig in letzter Sekunde ihr Leben und offenbart ihnen die ganze Wahrheit, die hinter den Mordanschlägen der Kirche steckt. Die im Wasser der Lagune zu Millionen das Miasma bildenden winzigen Primordialen haben alle Wesen der Welt infiltriert und sind fähig, alle befallenen Menschen und die großen Primordialen zu vernichten. Das Ziel der Wissenschaftler muss der Palast des Dogen sein, wo sie hoffen Hinweise auf die Hydra zu erlangen, die die Quelle des Miasmas ist. Sie müssen diese Hydra töten ehe die Konzentration der Miasmen einen Grad erreicht hat, der sie von harmlosen Wasserwesen zu einem alles vernichtenden Gift macht. Doch bleiben ihnen nur wenige Stunden für diesen Plan, wollen der Bischof und der Doge doch just bei der symbolischen Vermählung der Venezianer mit der See den Plan der Kirche zur Unterwerfung der Menschheit vollenden. Denn das Gegenmittel, das einzig die Wirkung des Miasmas aufzuheben in der Lage ist, befindet sich in der Hand der Kirche.
Nach den ersten beiden Alben der Serie "Das Einhorn" waren die Erwartungen extrem hoch für das Finale, den dritten Band dieses fantastischen Abenteuers. Zwar hat sich das lange Warten gelohnt, "Die schwarzen Wasser von Venedig" ist in erzählerischer wie grafischer Hinsicht grandios, doch welch ein Entsetzen: Das Finale bleibt aus, der dritte Band ist nur eine Überleitung zum eigentlichen Höhepunkt, dem angekündigten vierten Album.
Wortreich geht Autor Gabella in den angehängten Seiten auf dieses Problem ein, erklärt, warum er nach dem schwierigen Start und dem sehr einfachen zweiten Band nun ein drittes Album dazwischen schiebt und erst im vierten Band den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Wissenschaft und Kirche enden lässt.
Doch wer einen unvergesslichen Anblick erleben will, der muss "Die schwarzen Wasser von Venedig" erwerben. Allein der Anblick der Hydra dokumentiert die hohe Kunstfertigkeit, mit der Jean seine Arbeit verrichtet. Auch die Kombination verschiedener Körperingredienzien, die ein wenig an die unsäglichen Körperwelten des Gunter von Hagens erinnert, zu einer Nymphe ist wahrhaft (alp-)traumhaft schön.
Aber nicht nur die Bilder, auch die Story kann sich sehen lassen. Wie Gabella die Geschichte vom wissenschaftlichen Fortschritt und der Hybris der Kirche, die Menschheit moralisch bevormunden zu müssen - bis hin zu ihrer Beinahe-Ausrottung - komponiert, ist absolut lesenswert.
Zwar übertreibt er die kryptische Verschachtelung von Hinweisen ein wenig - wer nicht jeden Satz auf das Genaueste liest, verliert schnell den roten Faden, ja, den gesamten Sinn hinter der Geschichte. Doch erzeugt er dabei einen solch immens spannenden Handlungsbogen, dass man kaum das Auge von den Zeichnungen und Textboxen lassen kann.
Druck, Anmutung und Preis sind vorbildlich, der Inhalt ebenso einmalig wie schön, ebenso spannend wie lehrreich - "Die schwarzen Wasser von Venedig" muss man einfach - ebenso wie die ersten beiden Alben von "Das Einhorn" - sein Eigen nennen.