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Emotionen, Körper und Geist nehmen wechselseitig aufeinander Einfluss. Deshalb lassen sich durch die gezielte willentliche Beeinflussung eines der Teile die jeweils anderen beiden steuern.
Besonders die Psychosomatik beschäftigt sich mit der Wechselwirkung der Systemelemente Emotionen, Körper und Geist. Bereits seit den Anfängen der Medizin in der Antike interessieren sich Menschen für das Leib-Körper-Problem. Noch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts herrschte die Meinung vor, dass körperliche Symptome Symbolcharakter besitzen. So sollte ein Schnupfen darauf hindeuten, dass jemand "die Nase voll hat". Heute zeigen moderne bildgebende Verfahren, dass verschiedene psychosomatische Erkrankungen, wie Depressionen, Ängste oder chronische Schmerzen, einen klar abgegrenzten Bereich des Gehirns aktivieren. Dies lässt sich gezielt nutzen, um Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen positiv zu beeinflussen. Eingesetzt werden die Erkenntnisse bereits in Psychotherapien, kognitiven Therapien, Meditation oder autogenem Training.
Seit seiner Emeritierung beschäftigt sich der Autor intensiv mit neurobiologisch fundierter Psychosomatik. Neben Vorträgen und wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht er regelmäßig in ''Psychologie heute'' und in der ''Frankfurter Rundschau''. Erschienen ist das vorliegende einhundertfünfzig Seiten starke Taschenbuch in der Reihe "Wissen & Leben" im Schattauer Verlag. Diese Reihe bietet unterhaltsame und anspruchsvolle Essays aus Medizin, Psychologie, Naturwissenschaft und Naturphilosophie. Zehn kurze Essays von etwa zehn bis zwanzig Seiten vermitteln einen Einblick in die vielfältigen Zusammenhänge von Körper und Geist.
Johann Caspar Rüegg erklärt zunächst die Funktionen und den Aufbau des Gehirns, bevor er zu den Fragen der biologisch fundierten Psychosomatik übergeht.
Er kommt in den Essays zu der Erkenntnis, dass frühkindliche Traumata, Worte und Gedanken tiefe Spuren im Gehirn einbrennen und sogar die Gene nachhaltig verändern. Damit steigt das Risiko von späteren psychosomatischen Erkrankungen wie Depressionen signifikant. Die gute Nachricht, die der Autor vermittelt, lautet: diese Spuren können auch wieder überschrieben und verändert werden. Worte und Gedanken beseitigen Schmerzen und Krankheiten. Über eine Körperhaltung oder Mimik lassen sich Gefühle beeinflussen. Meditation und Achtsamkeitsübungen verändern das Gehirn und stärken das Immunsystem. Genutzt werden diese Kenntnisse in der Praxis schon seit langem - zunehmend wird die Wirksamkeit nun wissenschaftlich untermauert.
Zahlreiche Beispiele untermauern die aufgestellten Thesen. Alle Essays wecken durchweg das Interesse des Lesers und verstehen es, über den reinen Informationswert hinaus gut zu unterhalten. Und das trotz zahlreicher medizinischer Fachbegriffe und dem umfangreichem Hintergrundwissen, das vermittelt wird. Sie lesen sich leicht und flüssig und sind auch für Nicht-Mediziner gut verständlich. Zitate aus Literatur und Philosophie lockern den Text auf. Etliche schwarzweiße Grafiken und Zeichnungen verdeutlichen das Gesagte. Sie zeigen den Aufbau des Gehirns, den Zusammenhang von Worten, Gedanken und Gedächtnisfunktionen oder den Ablauf eines Experimentes. Aus immer wieder neuen Blickrichtungen nähert sich der Autor dem Thema. Er belegt Fakten und Gedankengänge durchweg mit Quellen und ein mehrseitiges Literaturverzeichnis ergänzt jeden Beitrag. Dies sorgt für Glaubwürdigkeit.
Johann Caspar Rüegg gelingt es überzeugend, die Zusammenhänge zwischen Körper, Gehirn und Gefühlen darzustellen und die Wechselwirkung zu belegen. Offen bleibt dabei die Frage, wie dies in Zeiten knapper Ressourcen in die Praxis umgesetzt werden kann. Sei es ein niedriges Krankenkassen- oder Klinikbudget oder die begrenzte Zeit von Ärzten und Klinikpersonal, die für die Behandlung einzelner Patienten zur Verfügung steht. Zeitintensive, längere Gespräche mit Patienten, um kognitive Techniken und Achtsamkeitsübungen zu vermitteln und zu üben, sind da meist nicht drin. Bleibt also zunächst die Selbsthilfe - Einbauen von Achtsamkeitsübungen in den Alltag oder das Trainieren von positivem Denken. Dies wird ja auch in der psychologischen und Coaching-Literatur allenthalben vorgeschlagen.
Wer noch mehr zu dem Thema lesen möchte, dem sei das Buch ''Gehirn, Psyche und Körper. Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie'' vom gleichen Autor empfohlen, welches bereits in vierter Auflage beim gleichen Verlag erschienen ist.