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Schmerzen sind für Manuel Jäger nichts Unbekanntes. In seinem Leben hatte er davon mehr als jeder andere. Aufgrund eines genetischen Defekts besitzt er Glasknochen. Seine Knochen besitzen eine zu geringe Dichte und brechen deshalb bei jeder kleineren Belastung. Aus diesem Grund ist er nie richtig gewachsen, sein Rücken ist verkrümmt und er konnte erst nach einer schweren Operation in der Jugend laufen lernen. Allerdings leidet Jäger nicht unter seinem Zustand, da er einen regen Geist besitzt und ein erfolgreicher Wissenschaftsjournalist ist.
Die größte Angst, die Manuel hat, ist die, wieder ins Krankenhaus zu kommen - und wegen eines plötzlichen Atemstillstands in der Nacht geschieht genau dies. Schneller als erwartet fährt ihn der Notarzt ins Marienhospital, das wegen Notfällen hoffnungslos überfüllt ist. Ehe Manuel ein Zimmer bekommt und Ruhe finden kann, hat er sich schon mit einer für ihn gefährlichen Erkältung angesteckt, doch niemand achtet ernsthaft auf seine Erklärungen, dass dies lebensbedrohlich für ihn sei.
Im Marienhospital arbeitet auch Krankenschwester Dagmar. Sie ist kompetent und tüchtig und würde sich gerne viel mehr Zeit für ihre Patienten nehmen. Leider jedoch wurde die Personaldecke so ausgedünnt, dass gerade einmal Zeit für die nötigsten Aufgaben ist. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen kümmert sie sich liebevoll um die bettlägerigen und pflegebedürftigen Patienten und nimmt sich auch mal eine kurze Pause für ein Schwätzchen. So lernt sie auch den aufgeweckten Geist von Manuel Jäger kennen, der ihr von Wendelin Weihrauch, einem anderen Patienten, der sein Herz berührt hat, berichtet.
"Gottes leere Hand" ist ein Roman, der den Leser nicht schnell loslässt. Auch wenn der Buchumschlag leicht und locker wirkt, ist die darin eingebundene Geschichte dies keineswegs. In zarten und behutsamen Worten beschreibt Marianne Efinger gewissenhaft sehr viele unterschiedliche Themen. Einerseits dreht es sich um die Qualität der eigenen Existenz, wie man aus Dagmars mit Arbeit überfülltem Leben sieht, wo sie doch gerne in der freien Natur wäre. Ebenso um Lebensqualität handelt es sich im Falle Manuel Jägers, der, trotz Glasknochen, sich nicht als behindert bezeichnen will und weiß, dass er ein ebenso erfülltes Leben haben kann wie andere auch.
Dann, fast wie nebenbei, stößt der Leser in fast jedem Satz auf die Missstände im Gesundheitswesen. In dem Marienhospital gibt es überforderte Ärzte, frisch aus dem Studium, zahlreiche Missgeschicke aus Überarbeitung heraus, eine viel zu dünne Personaldecke, Personalmobbing und Diskussionen um eine Verschlankung des Verwaltungsapparats. Dies ist ja sehr realistisch und fachlich berichtet, doch nimmt es, gerade in der hier vorgestellten Dichte, dem Roman seine eigentliche Bedeutung. Denn weniger ist manchmal mehr und hätte eine ebenso große Wirkung gehabt.
Fast scheint der Roman zu dünn, zu klein, um alle angesprochenen Themen gerecht zu thematisieren. Auf der einen Seite ist die harte und stressige Realität des Krankenhauses und auf der anderen sind die kleinen Momente des Wunders, in denen es Erlösung, Ruhe und Verständnis gibt. Und, zur großen Erfüllung des Lesers, gibt es für jede der beiden Hauptpersonen einen zufriedenstellendes Ende mit positivem Blick in die Zukunft.
Ein zartfühlender Roman, der mitnimmt und zu Herzen geht. Wäre die Krankenhausatmosphäre nicht ganz so geballt beschrieben worden, wäre er vollkommen.