Mit "Im Namen der Engel" publizierte Piper im Juli 2010 den ersten Band um die übersinnlichen Fälle von Bree Winston, die mit einer außergewöhnlichen Begabung gesegnet ist: Sie kann mit Toten sprechen. Als Anwältin verteidigt sie kürzlich Verstorbene, die ins Fegefeuer gesperrt werden sollen. "Anwältin der Engel" ist der zweite Teil der Reihe. Achtung, diese Rezension beinhaltet Informationen über den vorangegangenen Teil!

Die Einwohner von Savannah sind entrüstet. Am helllichten Tag wird eine kleine Pfadfinderin von einer Jugendlichen überfallen. Lindsay, Mädchen aus reichem Elternhaus, hatte gerade nicht genug Geld dabei und wollte sich einen Spaß machen. Während Bree die Tat des Teenagers verabscheut, benötigt sie doch dringend auch ein paar lebende Klienten, die für ihre Vertretung bezahlen können. So setzt sie sich den Anfeindungen der wohlschaffenden Bürger Savannahs aus und übernimmt die Verteidigung von Lindsay Chandler.

Was zu Beginn noch ein offensichtlicher Fall zu sein scheint, entpuppt sich jedoch recht schnell als verwirrendes Familienrätsel. Mutter und Tochter können sich nicht leiden, Lindsay nimmt seltsame Medikamente und ihr Vater starb wenige Monate zuvor. Genau jener Probert Chandler ist es dann aber, der Bree erscheint und um Hilfe bittet. Was wie ein Unfall aussah, soviel ist Bree natürlich klar, war in Wahrheit Mord. Doch damit fangen die Schwierigkeiten erst an. Beim Versuch, den Fall aufzuklären, ist die junge Anwältin auf jede Unterstützung angewiesen. Denn die Gegenseite holt zum Schlag aus und die Toten überschreiten die Brücke aus dem Jenseits und erheben sich aus ihren Gräbern.

Auch der zweite Fall um Bree Winston-Beaufort und ihren übersinnlichen Kampf für Gerechtigkeit bietet eine solide Mischung aus Krimi und Fantasy-Elementen. Die Protagonistin wirkt natürlich, wie auch im ersten Band, mit all den Informationen und überirdischen Konfrontationen mehr als überfordert. Noch immer hat sie nur einen Zipfel des himmlischen Gerichtshofes und der Hierarchie unter den Engeln gelüftet.

Ihre Mitarbeiter sind dabei nach wie vor keine Hilfe. Zwar stehen die Engel Ron, Lavinia, Hunter, Sascha und Petru ihr zur Seite und versorgen Bree mit allerlei Rechercheinformationen der irdischen Welt, die höheren Sphären bleiben jedoch verschlossen. Die Geschichte schreitet gemächlich voran und verzichtet auf übertriebene Action. Fast könnte der Leser meinen, einen klassischen Krimi vor sich zu haben. Bree recherchiert primär in der Welt der Lebenden und besucht nur in einem kurzen Ausflug das himmlische Archiv. Hier werden auch Andeutungen zu Brees Mutter und deren Schicksal eingestreut, die Autorin verzichtet jedoch darauf, diesen Handlungsfaden weiterzuführen. Hier hätte sich der Leser mehr gewünscht. Auch die Verhandlung vor dem himmlischen Gericht selbst nimmt nur wenige Seiten in Anspruch. Der Fokus liegt auf der Welt der Lebenden.

Während der Krimiplot gut konstruiert ist, mangelt es jedoch an einer spannenden Auflösung und jeder Art von Twist. Die Geschichte plätschert vor sich hin, ist angefüllt mit gut gezeichneten Charakteren, bietet aber kein Ende, das dem Plot angemessen ist. Hier wird auf wenigen Seiten alles Wesentliche abgehandelt und erklärt.

Fazit:
Mary Stanton versteht es auch im zweiten Fall von Bree Winston zu überzeugen. Ein spannender Plot wird aufgebaut, die Charaktere sind gut gezeichnet und der Fall vermag zu fesseln. Die fehlende Action wird vom Leser nicht vermisst. Das Ende ist jedoch vorhersehbar und es wird auf jegliche Überraschung verzichtet. Zudem wird die übergeordnete Handlung aus dem ersten Buch kaum weitergeführt. Ein Lesevergnügen mit Schwachstellen.