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Jesse James ist aus den Sezessionskriegen nach Hause zurückgekehrt. Aus Langeweile liest er ein Buch, der Held ist Robin Hood. Jesse ist so beeindruckt von der Idee, die Reichen zu berauben und den Armen zu geben, das er beschließt ein "moderner" Robin Hood zu werden.
Er beraubt den erstbesten Reisenden und gibt das ganze erbeutete Geld einem Armen. Der aber ruft nun laut: "Ich bin reich!" Nun nimmt Jesse James auch ihm das Geld wieder ab, den er hatte ja geschworen, die Reichen zu berauben. Das moralische Dilemma dieses Tuns löst sein Bruder Frank. Er tauscht fortwährend mit Jesse das geraubte Geld, so dass immer ein Bruder arm ist.
Zusammen mit ihrem Vetter Cole Younger gründen sie eine gefürchtete Räuberbande.
Immer auf der Flucht vor der Polizei kommt die James-Bande nach Texas. Dort liegt nichts gegen sie vor, also bleiben sie auf freiem Fuß. Lucky Luke bekommt den Auftrag, beim ersten Überfall die Bande sofort festzunehmen. Doch die James-Brüder sind schlauer.
Das von Morris und Goscinny 1969 herausgebrachte Album wartet mit einer historischen Persönlichkeit auf. Jesse James wird karikiert und sein Bruder und Vetter werden zu geldgeilen Simpeln herabgestuft. Die historisch falsche Darstellung der James-Heroen und ihrer sozialen Gesinnung wird gekonnt aufs Korn genommen und ins Komische gesteigert. Jesse wird zum brutalen und ziemlich dummen Anführer, Frank wird zum Shakespeare zitierenden, arroganten Egomanen und Cole Younger zum Obertrottel ohne Gehirn, aber mit um so mehr Muskeln stilisiert.
Mit großer Mühe charakterisieren Goscinny und Morris ihren Helden Lucky Luke und sein Pferd Jolly Jumper. In köstlichen Szenen zeigen sie einen Helden, der einen Faden durch ein Nadelöhr fädelt - und das bei vollem Galopp. Die beste Szene hat aber Jolly Jumper. Das Pferd wird tatsächlich zum Schmied geschickt, um sich neue Hufeisen zu besorgen. Die Abbildung, in der Jolly, der Schmid und unzählige Hufeisen um sie herum auf dem Boden verstreut liegen, denn Jolly kann sich so schwer für zwei Paar entscheiden, ist unerreicht.
Die Geschichte des Räubertrios, das durch Raffinesse und die Dummheit der Bevölkerung allzu leicht Macht über sie erlangt, ist sehr gelungen. Diese Allegorie auf die Mächtigen und ihre willige Gefolgschaft ist treffsicher in wunderschönen Bildern und einem pointenreichen Text vor dem Leser ausgebreitet. Die gewohnt realistischen Schauplätze, die in der Wirklichkeit alle existieren, sind von Morris in natürlichen Farben detailreich gezeichnet.
Da Morris erst 1983 seinem Helden das Rauchen abgewöhnte - was ihm viel Lob von der Anti-Raucher-Lobby der USA einbrachte - kann er in diesem Album einen Trick vorführen, der seinesgleichen sucht und in jedem Zirkus der Welt wohl ein absoluter Höhepunkt wäre: Lucky dreht sich eine Zigarette, wobei Jolly Jumper das Papier anfeuchtet (!) und das Pferd galoppiert rauchend in großer Entfernung hin und her. Lucky schießt durch seine Beine hindurch die Zigarette aus.
Diese Szene ist typisch für den Humor und die Detailverliebtheit von Morris. In möglichst jedem Bild versteckt er einen Scherz oder eine Reminiszenz, genaue Betrachtung ist Pflicht und auch wiederholtes Anschauen der Alben lässt noch Details in den Vordergrund treten, die übersehen oder nicht auf Anhieb verstanden wurden.
Fazit: In der neu aufgelegten Gesamtedition aller Lucky Luke Abenteuer ist der Band, der dieses Abenteuer enthält, ein absoluter Pflichtkauf. Es ist eines der besten Abenteuer Lucky Lukes und machte das Western-Comic auch in Amerika hoffähig - immerhin sind die Autoren Belgier und Franzose, also eher blutige Ausländer für "echte" Amerikaner.
Wer einmal einen Zug sehen will, der seinen Schienenstrang verlässt und schnurstracks den Hang hinunter mitten in eine Stadt rollt, sollte sich diese zeichnerisch perfekte Umsetzung einmal zu Gemüte führen - die Reaktionen der Bevölkerung sind göttlich und treiben einem die Tränen in die Augen vor Lachen.