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Rom, 18. August 1503. Papst Alexander VI. ist tot. Unter den anreisenden Kardinälen entbrennt ein gnadenloser Machtkampf um das Pontifikat. Unter den Augen des Kardinals Giuliano della Rovere, der seinem jungen Geliebten Aldosi freimütig gesteht, den alten Borgia-Papst eigenhändig vergiftet zu haben, treffen die drei Favoriten auf das höchste kirchliche Amt in Rom ein. Es ist der von Ludwig XII. entsandte Kardinal Georges D'Amboise, der vom spanischen König Ferdinand von Aragorn unterstütze Kardinal Bernardo de Carvajal und der Italiener Francesco Piccolomini-Todeschini. Allein ihr Reichtum und die damit einhergehenden hohen Bestechungsgelder machen diese drei Kardinäle zum Leidwesen des mittellosen aber einflussreichen della Rovere zu den einzig möglichen Kandidaten mit Aussicht auf Erfolg.
Neben seinen Qualitäten als Meuchelmörder verfügt della Rovere aber vor allem über einen messerscharfen Verstand. Und so macht er sich die sexuellen Vorlieben Fransescos zu Nutze. Er schickt ihm seinen wunderschönen Geliebten und befriedigt die Gelüste des Kardinals. Zudem sichert er dem manisch misstrauischen italienischen Kardinal seine Unterstützung bei der anstehenden Papstwahl zu. Als Gegenleistung verlangt er als Universalerbe eingesetzt zu werden. Noch berauscht von den erfolgreichen Versuchen Aldosis, ihn zu befriedigen, willigt Piccolomini ein. Und della Rovere hält Wort, der neue Papst ist der alte Italiener. Nur für wie lange?
Mit Verve und untrüglichem Gespür für das Skandalöse, Brachiale und Grausame hinter den historisch belegten Fakten rund um die Wahl nach dem Tode des Borgia-Papstes Alexander VI. entwirft Alejandro Jodorowsky ein Sittengemälde des sechzehnten Jahrhunderts. Dabei beleuchtet er die politischen Beziehungen der wichtigsten Nationen ebenso wie die mannigfaltigen Intrigen, die sich im Hintergrund der Wahl des damals so wichtigen und enorm einflussreichen Amtes abspielen.
Von zentraler Bedeutung ist dem Autor die Figur des Kardinals Giuliano della Rovere. Seine gnadenlose Vorgehensweise, seine Machtgier und seine die sexuellen Vorlieben seiner Gegner nutzende Amoralität dienen ihm als exemplarisches Beispiel, um den Sittenverfall im beginnenden sechzehnten Jahrhundert darzustellen.
Dies setzt Illustrator Theo kongenial um. Seine Liebhaber sind von erlesener, an griechische Statuen erinnernder Schönheit, seine alten Männer bar jeder Keuschheit für jede Art von sexueller Befriedigung zu haben. Doch der Sex, der hier recht harmlos in Szene gesetzt wird - die Sprache ist da schon viel vulgärer -, ist reine Nebensache. Zentral ist die Darstellung der Raffinesse, mit der della Rovere die Begierden seiner Feinde, sei es Machtgier, sexuelle Gier oder Rachsucht, ausnutzt. Und diese der menschlichen Natur innewohnenden Ziele vermag Theo wundervoll in Szene zu setzen.
Doch nicht nur die Begierden, auch die in höchster Blüte stehende Zeit der Renaissance, ihre Architektur, der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit und der damit einhergehende Verlust und das infrage stellen an tradierten Werten dient ihm als Hintergrund seiner Zeichnungen.
Überspitzt, maßlos übertrieben und gnadenlos an den Pranger gestellt, lassen Autor Alejandro Jodorowsky und Illustrator Theo in "Der schreckliche Papst" eine Zeit auferstehen, die mehr als genug Stoff für eine spannende, dramatische Geschichte bietet.
Leider sind die Geschehnisse oft allzu einfach dargestellt, die Pläne viel zu offensichtlich und die Vorgänge des Öfteren etwas zu plakativ präsentiert, um vollends zu befriedigen. Etwas mehr Hintergrund, etwas mehr Raffinesse, mehr Schwierigkeiten beim Erreichen der Ziele della Roveres hätte man sich als Leser schon gewünscht. Zumal Alejandro Jodorowsky bekannt ist für seine ausufernden Hintergrundinformationen und seine detailversessene Art ein Thema für eine Comicserie aufzuarbeiten. Man schaue sich nur die genialen "Meta-Barone" an, um von "Der schreckliche Papst - Giuliano della Rovere" ein klein wenig enttäuscht zu sein.
Wer die brillante Druckqualität dieses Bandes, die detailreichen Zeichnungen Theos und die Ausarbeitung der Texte durch Alejandro Jodorowsky (in der Übersetzung von Tanja Krämling) genauer in Augenschein nehmen will, sollte auf der Verlagswebseite die zwölfseitige
Leseprobe durchblättern.