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Als die über achtzigjährige, mit einer niederschmetternden Diagnose konfrontierte Olivia Morrow beschließt, ein Familiengeheimnis zu lüften, um einer jungen Frau, die sie nicht einmal persönlich kennt, das ihr zustehende Erbe zukommen zu lassen, ahnt sie nicht, dass dieser Entschluss ihr Todesurteil bedeutet. Denn eine der wenigen Personen, denen sie vertraut, hat ein unmittelbares Interesse daran, dass die Kinderärztin Monica Farrell keine Chance zum Antritt ihres Erbes erhält.
Olivia Morrows Cousine, die für sie fast eine Schwester war, hatte eine Affäre mit einem später sehr erfolgreichen Wissenschaftler, dessen Patente ihm ein Vermögen einbrachten. Die Cousine wollte jedoch Nonne werden und gab das aus der Affäre hervorgehende Kind, einen Jungen, zur Adoption frei. Ihr Verehrer heiratete nie. Sein üppiges Erbe ging in eine von seinen Neffen verwaltete Stiftung.
Vor allem einer der Neffen und seine zwielichtigen Geschäftspartner haben ein enormes Interesse daran, das Erbe gegen eine Haupterbin zu schützen, deren Auftauchen extrem ungünstig kommt. Sie versuchen zunächst, die Kontaktaufnahme zwischen Olivia Morris und Monica Farrell zu verhindern und die Kinderärztin möglichst gleich auszuschalten. Als das Letztgenannte zunächst misslingt und eine weitere Mitwisserin auftaucht, reagieren die "Verschwörer" zunehmend panisch.
Wenn Mary Higgins Clark einen Roman schreibt, ist Spannung angesagt, so auch bei "Flieh in die dunkle Nacht". Eine gute Thriller-Idee, sehr plastisch skizzierte Charaktere, ein sauber ausgearbeiteter Plot, und man darf sich auf die Lektüre beziehungsweise das Hörerlebnis freuen.
Doch nicht zu sehr. Denn der Roman ist nicht ohne Schwächen. Zunächst ist die Handlung ganz einfach zu transparent, es wird sehr früh klar, wie die Geschichte sich entwickelt. Ein angeblich perfekter Auftragskiller begeht regelrecht dämliche Fehler und wirft dann einfach das Handtuch, nachdem er eine ziemlich phlegmatische Vorstellung geliefert hat. Viel Druck auf die Tränendrüse – wer kann schon einem kleinen, vernachlässigten Mädchen widerstehen und einer Frau, die verzweifelt nach ihren leiblichen Verwandten sucht? -, eine alte Frau, die eine zu lange unterschlagene Wahrheit herauskramen möchte, ein zu anhänglicher Verehrer, der sich für seine große Liebe opfert: Klischees über Klischees. Auch entstehen unnötige Längen.
Trotzdem ist die Story insgesamt nicht schlecht und bietet recht akzeptable Unterhaltung. Der Aufbau gehorcht den Gesetzen der Logik, die Charaktere treten authentisch auf, auch ihre Motivation wirkt nachvollziehbar, und natürlich kommen mitreißende Szenen vor.
Loben muss man aber vor allem die Leistung von Michou Friesz, die als Sprecherin rundum überzeugt und eine Spannung hereinbringt, die das Manuskript so eigentlich gar nicht bietet. Deshalb dürfte die Hörbuchedition womöglich sogar für überzeugte Bücherwürmer mehr zu bieten haben als die Printversion; für passionierte Hörer ist dies ohnehin der Fall.
Das qualitativ sehr hochwertig aufgemachte Hörbuch – die sechs CDs sind sicher einzeln in Halterungen in einer Kunststoffbox untergebracht, und auch das Booklet überzeugt – kann daher durchaus empfohlen werden, auch wenn die bekannte Autorin hinter den Erwartungen zurückbleibt: Michou Friesz macht einiges wett.
Eine Hörprobe gibt es auf der Verlags-Website: "Flieh in die dunkle Nacht"