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Sage und schreibe 275 Millionen Exemplare der ersten fünf "Harry Potter"-Bände gingen bis heute über die Ladentheken und machen die Reihe um den britischen Zauberschüler damit zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendbüchern aller Zeiten. Lange haben sich die Fans für das Erscheinen des sechsten Bandes mit dem Titel "Harry Potter and the Half-Blood Prince" gedulden müssen, doch im Juli 2005 war es schließlich soweit; so groß wie die Erwartung der Leserschaft war auch der darauf folgende Andrang - mit einem Verkauf von rund zehn Millionen Exemplaren des Romanes allein in den ersten vierundzwanzig Stunden nach Erscheinen wurde gerechnet. Auch die vorliegende deutsche Übersetzung wurde lang ersehnt und allein die Angebote, sich das Buch zwischen 0:00 und 2:00 nachts, zwischen 7:00 und 9:30 morgens oder im Laufe des Erscheinungstages zustellen zu lassen, verdeutlichen, welcher Wirbel um "Harry Potter und der Halbblutprinz" betrieben wurde. - Doch was erwartet den Leser überhaupt in diesem sechsten Band um Harry Potter?
Ein Jahr ist es nun mittlerweile her, dass Harry Potter miterleben musste, wie der Dunkle Lord einen Großteil seiner finsteren Kräfte wiedererlangte und seine grausamen Untergebenen, die Todesser, erneut um sich scharte. Mittlerweile überziehen Schrecken und Mord das Land, und das Zaubereiministerium befindet sich in heller Aufregung, doch Festnahmen und Inhaftierungen kann es so gut wie keine verzeichnen; und auch Rufus Scrimgeour, der nach der Absetzung Cornelius Fudges als Zaubereiminister eingesetzt wurde, kann an dieser Tatsache nur wenig ändern. Von Albus Dumbledore, dem Schulleiter von Hogwarts, persönlich von seinen verhassten Verwandten abgeholt, spürt Harry auch in der Zaubererschule die Anspannung und Nervosität, mit der man den schrecklichen Ereignissen gegenüber steht. Und schon bald beginnen wieder Zweifel in Harry zu keimen: Hat Severus Snape, der Lehrer für Zaubertränke, Lord Voldemort tatsächlich abgeschworen? Und was plant Draco Malfoy, mit dem Harry nun schon wiederholt aneinander geraten ist? Und warum sieht eine von Dumbledores Händen abgestorben aus? Selbst in den Privatstunden, die Dumbledore seinem jungen Schützling gibt, bekommt Harry keine zufriedenstellenden Antworten auf seine zahlreichen Fragen; statt dessen wirkt der Schulleiter ungewohnt verschlossen. Harry ahnt, dass auch dieses Jahr wieder Schreckliches passiert - doch diesmal nicht nur auf Hogwarts, sondern in der gesamten Zaubererwelt. Könnte es sein, dass Dumbledore an einem Plan arbeitet, den Harry im Moment noch nicht erfassen kann, der jedoch den Dunklen Lord endgültig vernichten könnte? Doch Harry ist schon immer ungeduldiger Natur gewesen, und so beginnt auch er gemeinsam mit seinen Freunden Ron und Hermine zu überlegen, wie man sich dem Schrecken entgegenstellen könnte ...
Da ist er also - der sechste und vermutlich vorletzte Band um den britischen Zauberlehrling Harry Potter. Bisher hat wohl kaum ein anderes Buch bereits vor seinem Erscheinen so viel Aufsehen erregt wie "Harry Potter und der Halbblutprinz", über kaum eine andere Geschichte brodelte die Gerüchteküche je heißer. Nun wird sich also herausstellen, inwiefern Fans und Leser richtig spekuliert haben, welche Gerüchte an den Haaren herbeigezogen sind und wie Joanne K. Rowling ihre Charaktere für den finalen Band postieren wird. Denn eines kristallisiert sich während der Lektüre von "Harry Potter und der Halbblutprinz" schnell heraus: Das Buch scheint lediglich dazu zu dienen, die Charaktere und Figuren in die richtigen Ausgangspositionen für den abschließenden siebten Band zu bringen. Dementsprechend gering hält sich im vorliegenden Band leider auch der Anteil an bedeutender Handlung; vielmehr plätschert die Geschichte über gut 650 Seiten hinweg vor sich hin, ohne dass der Leser groß das Gefühl hat, inhaltlich vorwärts zu kommen. So ist der vorliegende Band gegenüber dem fünften Band, "Harry Potter und der Orden des Phönix", der in der deutschen Übersetzung 1021 Seiten umfasste, zwar um einiges kürzer, doch wirklich Ereignisreiches passiert herzlich wenig. Statt dessen wiederholt Joanne K. Rowling lediglich altbekannte Abläufe und Zyklen, die auch die vorangegangenen fünf Bücher durchlaufen mussten und die für einen richtigen "Potter" beinahe schon Pflicht sind, bereitet diese jedoch mit interessanten Ideen neu auf. Und das muss man der Autorin wirklich zu Gute halten, denn gerade dieser feste und doch immer wieder abwechslungsreiche Rhythmus ist es, der einen Großteil des Zaubers von "Harry Potter" in sich birgt. Dadurch liest sich die Geschichte trotz fehlender Handlung und kleinerer nervtötender Einzelheiten - so verdächtigt Harry Draco Malfoy beispielsweise von Beginn an, etwas Übles zu planen, und äußert alle paar dutzend Seiten neue Anschuldigungen - nicht nur sehr flüssig und kurzweilig, sondern gewährt dem Leser zugleich Einblick in zahlreiche zauberhafte Einfälle und neue entzückende Details aus der magischen Welt der Hexen und Zauberer, die sich allesamt - und das ist wohl das beste - geschmeidig zwischen die bereits bekannten Informationen über diese fantastische Welt einbetten.
Um 656 handlungskarge Seiten zu überbrücken, greift Joanne K. Rowling auf das wohl meistbenutzte und dennoch nie enden wollende Thema der Literatur zurück: die Liebe. Während Harry Potter und seine Mitschüler bereits während des vierten und fünften Bandes einige unbeholfene Schritte in diese Richtung gemacht haben, scheint ihnen die Autorin nun in dieser Beziehung freien Lauf zu lassen. So wird in "Harry Potter und der Halbblutprinz" reichlich geknutscht und geflirtet, die Herzen schlagen wild, Liebesbeziehungen entstehen und brechen wieder auseinander - kurzum: Joanne K. Rowling setzt auf die Emotionalität ihrer Leser und nutzt deren Gefühle - die ähnlich aussehen mögen wie die der handelnden Personen -, um sie an das Buch zu fesseln. Gefühle etwas anderer Art - nämlich des Mitgefühls und der Trauer - löst auch der Schluss des vorliegenden Bandes aus, welcher von Joanne K. Rowling überaus dramatisch und emotional gestaltet wurde. So bleibt der Leser nach der Lektüre nicht nur aufgewühlt, sondern auch wegen der schrecklichen Geschehnisse traurig zurück - da darf die eine oder andere Träne ruhig kullern.
Wie die Geschichte um den berühmtesten Zauberschüler der Welt nun weitergehen wird, das bleibt wohl auch bis zum endgültigen Erscheinen des siebten Bandes reine Spekulation - sollte Harry seinen am Ende des vorliegenden Buches gefassten Entschluss jedoch halten, könnte es sein, dass der nächste Band den bisherigen geregelten Ablauf der Bände durchdringen und aus dem bekannten Rahmen ausbrechen wird. - Man darf auf jeden Fall gespannt sein.
Fazit:
Trotz der recht handlungskargen Geschichte, die lediglich dazu zu dienen scheint, die Charaktere für das Finale in Stellung zu bringen, liest sich auch "Harry Potter und der Halbblutprinz" flüssig und angenehm, was vor allem daher rührt, dass die Autorin ihrem Leser viele neue und fantastische Details über Harry Potters magische Welt eröffnet. Das Ende des vorliegenden Bandes gestaltet sich überaus dramatisch und emotionsgeladen und lässt seinen Leser mit aufgewühlten Gefühlen zurück.