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Cubby Greenwich ist ein erfolgreicher Schriftsteller, dessen Bücher allesamt Bestseller sind. Auch zu seinem neuesten Roman erhält der Familienvater eine Menge positive Kritik, allerdings auch die vernichtende Besprechung eines ebenso berühmten wie berüchtigten Literaturkritikers. Shearman Waxx verreißt Cubbys Roman gnadenlos, und der gekränkte Autor kann es entgegen allen Ratschlägen seiner Frau und seines Agenten nicht lassen, dem Kritiker ein wenig nachzuspionieren.
Es kommt zu einer kurzen, bizarren Konfrontation in einem Restaurant, bei der Waxx dem erschrockenen Cubby ein einziges Wort ins Gesicht schleudert: "Verdammnis". Dies ist der Auftakt zu einem nicht enden wollenden Albtraum, denn Waxx ist, wie sich allzu bald herausstellt, nicht nur ein exzentrischer, miesepetriger Kritiker, sondern vor allem eins: ein skrupelloser Sadist mit scheinbar übermenschlichen Fähigkeiten, der alles daran setzt, Cubby und seine gesamte Familie zu zerstören …
"Blindwütig" – im Original unter dem treffenderen Titel "Relentless" erschienen – ist der neueste Psychothriller von Dean Koontz und macht zunächst einen recht guten Eindruck, denn Koontz bedient sich einer etwas irrwitzigen Mischung aus lockerem Humor und beinhartem Thrill. Cubby Greenwich ist als Ich-Erzähler angelegt, was unterhaltsam ist, aber grundsätzlich die Spannung ein wenig dämpft, weil man als Leser weiß, dass Ich-Erzählern selten allzu viel Unheil oder gar der Tod droht.
Auf jeden Fall ist Cubbys humorvolles Geplauder angenehm zu lesen, und die dunkle Wolke in Form von Shearman Waxx, die am Horizont droht, scheint zunächst nicht allzu schlimm. Umso befremdlicher wird es, wenn Waxx zum Angriff übergeht. Rasch befinden sich Cubby, seine Frau und sein kleiner Sohn auf einer halsbrecherischen Flucht mit ungewissem Ziel, denn Waxx, der sich inzwischen wie ein ausgemachter Psychokiller benimmt, ist ihnen immer einen Schritt voraus. Die teils sehr drastischen Schilderungen von Waxx' Taten - Cubbys Familie ist nicht die erste, die den Zorn des Kritikers auf sich gezogen hat – beißen sich ein wenig mit dem immer noch erfrischend-witzigen Ton, den Koontz über weite Teile des Buches anschlägt. Hier hat Koontz scheinbar länger überlegt, um sich möglichst abstoßende Folterungen auszudenken.
Dennoch ist der Thriller über die gesamte erste Hälfte sehr unterhaltsam und zweifelsohne sehr spannend, ein richtiger Pageturner nach erprobtem Rezept: nette kleine Familie mit nettem Familienhund auf der Flucht vor irrem Psychopathen. Das ist ein liebgewonnenes und altbewährtes Konzept, das bei Thrillerfans meist aufgeht, aber Dean Koontz hat sich entschlossen, einige unkonventionelle Zutaten hinzuzufügen – und die verderben den Roman gründlich. Zum einen ist Cubbys sechsjähriger Sohn Milo hochbegabt, ein echtes Wunderkind, und bastelt die gesamte Story über an rätselhaften Apparaturen, die sich, das ahnt man schon früh, als Rettung in der Not entpuppen. Das ist ein ganz guter Ansatz, aber insgesamt zu lächerlich und lieblos umgesetzt, als dass man es Koontz abkaufen würde, denn Milos Maschinen wirken wie eine billige Deus-ex-Machina-Lösung.
Richtig ärgerlich ist aber die Auflösung des Ganzen: Was hinter Shearman Waxx und seinen Machenschaften steckt, ist so sehr an den Haaren herbeigezogen und so albern, dass man sämtliche Sympathien für Koontz' neues Werk und die Greenwich-Bilderbuchfamilie wieder verliert. Hätte der Autor wenigstens sorgfältig auf das Ende hingearbeitet und die hanebüchene Auflösung mit mehr Logik unterfüttert, dann hätte das die Story vielleicht gerettet. So wirkt aber alles mehr als unglaubwürdig und vor allem so rasch abgehandelt, dass man gar nicht so schnell gucken kann, wie dieser Psychotrip auf einmal vorbei ist. Die Handlungen der Bösen werden zudem überhaupt nicht zufriedenstellend erklärt. Warum der ganze aufwändige und blutige Zirkus, wenn es doch im Endeffekt ein simpler Kopfschuss auch getan hätte, um ans Ziel zu gelangen? So wirkt die Idee, die hinter allem steckt, einfach nur unausgegoren und unpassend fantastisch. Etwas unangenehm stößt auch die Schilderung der Greenwich-Familie auf, die vom Autor einen Freifahrtschein hat, ihr Leben zu verteidigen, und zwar bevorzugt mit Waffengewalt; praktischerweise ist Cubbys Frau eine 1a-Schützin, deren Eltern bizarrerweise in einem Bunker unter der Erde auf die Apokalypse warten. Der Schusswaffen-Overkill mag in Actionfilmen unterhaltsam sein, in Romanen wirkt er nervig.
Tiefgang oder schlüssige Erklärungen bleibt Koontz schuldig, statt dessen streut er beliebige Elemente ein, die an Trashfilme oder eine schlechte Folge von Twilight Zone erinnern: einen sich beamenden Hund etwa oder einen Bösewicht, der aussieht wie der Glöckner von Notre-Dame. Insofern ist "Blindwütig" leider eine Enttäuschung und wohl nur für Riesenfans des Autors eine Offenbarung.