Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Die fünfzehnjährige Evrane ist entsetzt, als sie erfährt, dass ihre Mutter sich um einen Bräutigam für sie bemüht. Das hübsche Mädchen will nicht einsehen, dass ihr Leben wie das ihrer Eltern und das der gesamten unteren Kaste fremdbestimmt verläuft. Sie und ihre beiden Freunde Lorky und Talinn wollen lieber das Dorf verlassen und irgendwo im riesigen Königreich von Angor ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Lorky zieht es in die Ferne, weil er keine Eltern mehr hat und seine Zukunft im Dorf mehr als düster ist. Talinn wiederum versucht mit aller Macht Knappe zu werden – ein Unterfangen, das wider das unausgesprochene Gesetz der lebenslangen Kastenzugehörigkeit unmöglich erscheint. Fällt er durch die baldige Knappenprüfung, hält ihn nichts mehr im Dorf oder bei seinen Eltern.
Doch die Entscheidung zu fliehen wird den drei Jugendlichen in einer schicksalhaften Nacht abgenommen. Talinn belauscht das Gespräch zweier Ritter. Entsetzt muss er mit ansehen, wie der jüngere der beiden Recken den älteren ermordet und dessen Sachen durchwühlt. Dumm nur, dass der Meuchelmörder den jungen Mann entdeckt und nun auch ihn töten will. In letzter Sekunde rettet Evrane ihren Freund. Doch nun wird man sie für Mörder halten, denn einfachen Bauern wird man wohl kaum glauben, im offenen Kampf gegen zwei Ritter gesiegt zu haben.
Kurz entschlossen nehmen die drei die Pferde der Ritter und fliehen nach Braderlank, der nächsten Stadt. Doch ohne es zu ahnen, haben sie etwas im Besitz des Ritters gefunden, wonach viele der Mächtigsten des Königreiches lange gesucht haben - und jedwedes Verbrechen begehen werden, um es zu erlangen.
Das neue Szenario von Jean-Charles Gaudin – berühmt geworden mit den Serien "Marlysa", "Seuche", "L’Assassin Royal", "Galfalek" oder "Garous" – scheint in einer Fantasy-Welt zu spielen. Zumindest suggeriert das Cover mit seinen fürchterlichen Bestien, die im Hintergrund lauern, dies. Doch weit gefehlt, bis auf wenige am Rande einiger Bilder sichtbare Ungeheuer könnte die Handlung auch im Mittelalter spielen – inklusive Ritter, Standesdenken, Hungersnot und Willkür der Mächtigen. Und der einzig faszinierende magische Aspekt wird erst auf der letzten Seite enthüllt – etwas spät für eine Fantasy-Gesichte, die durch ihre fantasievolle Andersartigkeit überzeugen möchte.
Und doch, die Geschichte dreier Jugendlicher und ihrer Nöte ist packend erzählt und vor allem grandios illustriert. Dimitri Armand, bisher nur mit "Salamandre" in Erscheinung getreten, haucht der Geschichte Leben ein. Seine Frauen sind lasziv und sexy, seine Männer hart und heldenhaft, seine Hintergründe detailreich und stimmig. Und auch wenn sie im ersten Angor-Band nur selten zu sehen sind, faszinieren auch seine Monster und alptraumhaften Kreaturen. Zwar scheint des Öfteren die Perspektive ein wenig verrutscht, die Personen sind mal gleich, groß mal deutlich unterschiedlich – doch ist dies der Dramatik der Ereignisse geschuldet und Armand lenkt den Fokus der Aufmerksamkeit immer genau auf den passenden Aspekt.
Leider vermag die Story nicht gänzlich zu überzeugen. Viel Zeit vergeht mit dem Versuch, die Welt und stärker noch die Beweggründe der drei Jugendlichen zu verdeutlichen. Das ist der Spannung nicht zuträglich, sorgt aber für eine starke Identifizierung des Lesers mit den drei Protagonisten. Und als endlich Schwung in die Sache kommt und man fasziniert in diese Welt abzutauchen beginnt, ist der erste Teil auch schon vorbei. Der geniale und überraschende Schluss macht zwar Hoffnung auf einen packenderen zweiten Band, doch verdeutlicht er auch die Blutleere der ersten Geschichte.
"Flucht" ist grafisch überzeugend. Übersieht man gnädig einige Längen der Story, ist der erste Band der Serie "Angor" vor allem eines: ein Appetithäppchen und ein Versprechen auf "Mansiouran", den hoffentlich mitreißenderen zweiten Teil, der im Januar 2011 erscheint.
Auf der Verlags-Webseite gibt es eine ausführliche Leseprobe.