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Lily ist seit kurzem Richterin und kämpft mit einem Ereignis aus ihrer Vergangenheit. Vor Jahren wurden sie und ihre Tochter vergewaltigt; Lily wollte den Fall nicht anzeigen, sondern griff zur Selbstjustiz. Von all dem weiß ihr Ehemann Bryce nichts, er merkt nur, dass seine Frau schnell Karriere macht und wird davon verunsichert. Es kriselt in der Ehe und so betrügt er Lily ...
Männer, die ihre Frauen betrügen, gibt es wie Sand am Meer. So hat Anne trotz ihres jungen Alters schon ihre Berufung gefunden: Sie betreibt eine Alibifirma, aber anstatt den Männern einfach ihr Alibi zum Seitensprung zu liefern, verabredet sie sich selbst mit ihnen und ermordet sie. Männer, die ihre Frauen betrügen, verdienen es nicht zu leben, so Annes Meinung. Jahrelang wird sie von der Polizei nicht bemerkt, die Morde fallen nicht als Serie auf. Als Anne sich gelangweilt fühlt, begeht sie einen Fehler und macht das FBI auf sich aufmerksam. Mary, eine junge Profilerin, macht sich auf die Suche nach der Mörderin.
Nancy Taylor Rosenberg verbindet in ihrem neuen Thriller drei Frauenleben miteinander. Lily, Anne und Mary sind untrennbar verbunden und alles steuert auf ein Finale zu, in dem sie sich endlich alle auf einmal treffen. Doch davon ahnen sie - und lange auch der Leser - nichts.
"Der blutrote Engel" verbindet spannende Personen miteinander: Eine Richterin, die im Ernstfall nicht an das System aus Anklage und Bestrafung glaubt. Ein junges, misshandeltes Mädchen, das grausame Rache an Männern nimmt. Und eine junge FBI-Agentin, die in ihrem ersten großen Fall genau diese Mörderin verstehen lernen muss.
Anne und Lily erhalten hierbei den größten Raum, Mary ist als Profilerin eher eine Randfigur, die zwar durchaus sympathisch erscheint, aber viel zu wenig Platz erhält, um wirklich wichtig für das Geschehen zu werden.
Die Handlung baut sich nach und nach auf, nur langsam werden vor dem Leser alle Fäden, die die drei Frauen verbinden, enthüllt. Manche davon wirken doch etwas an den Haaren herbei gezogen, andere sind durchaus nachvollziehbar. Die Ruhe, mit der die Autorin auf das Finale zusteuert, nimmt leider am Ende den Raum für die Entfaltung desselben. Auf wenigen Seiten findet die Geschichte ein Ende - nach dem langen Spannungsaufbau sehr unbefriedigend. Ebenso unbefriedigend ist es, dass Lily als eine der Hauptfiguren, erst ganz am Ende beginnt, ihr eigenes Leben zu reflektieren. Sie ist nicht unbedingt eine sympathische Hauptfigur; was ihre beste Freundin ihr gegen Ende des Buches verletzt entgegen schleudert, sind genau die Gedanken, die den Leser durchweg begleiten: Eine verletzte Frau, die sich in ihrem Leid suhlt und arrogant und selbstsüchtig andere Menschen ignoriert. Keine nette Protagonistin also, obwohl diese Frau die ist, die eigentlich die Sympathien des Lesers auf sich ziehen sollte. Interessanterweise tut dies eher Anne, die Mörderin: Sie ist immerhin konsequent.
"Der blutrote Engel" ist sozusagen der zweite Band zu Nancy Taylor Rosenbergs erstem Gerichtsthriller "Mildernde Umstände". Für Leser, die diesen ersten Band kennen, kann "Der blutrote Engel" schnell frustrierend und langweilig werden. Lange Rückblenden aus Lilys Sicht sind wortwörtliche Wiederholungen aus "Mildernde Umstände". So entsteht der Eindruck, hier würde man zwei Bücher in einem lesen. Für Neulinge ist das durchaus eine Hilfe, für jeden, der den ersten Band bereits kennt, eine unnötige Verzögerung der Handlung. Hier wäre ein besseres Gleichgewicht wünschenswert gewesen, denn sogar, wenn man den ersten Band nicht kennt, sind diese Wiederholungen und Rückblenden irgendwann zuviel. Auch die Verbindung zwischen Anne und Lily, die hier ihren Ursprung findet, wirkt zu konstruiert.
"Der blutrote Engel" ist ein lesbarer Roman, den man allerdings nicht gelesen haben muss. Die Handlung ist interessant angelegt, die handelnden Figuren aber zu leblos und unsympathisch, um sich als Leser wirklich einfinden zu können. So hinterlässt das Buch einen schalen Nachgeschmack, der nur durch das Lesen eines besseren Thrillers wieder vergehen wird.