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Nur kurz währte der Ausflug in fremde Gefilde des Spieleautors Mac Gerdts, der vor zwei Jahren mit "Die Prinzen von Machu Picchu" sein erstes Spiel rausbrachte, das nicht auf dem Aktionsrondell basierte – jener innovativen Spielmechanik, die Gerdts in der Szene der Hobby-Spieler viel Beachtung bescherte. "Machu Picchu" war alles andere als ein schlechtes Spiel – dennoch kehrt Gerdts nun wieder zum Aktionsrondell zurück, und zwar mit "Navegador", ein Spiel, in dem es sich ironischerweise um das Erkunden fremder Gefilde dreht.
Thematisch ist "Navegador" im 15. und 16. Jahrhundert angelegt und dreht sich um die Erkundung der Welt durch portugiesische Entdecker wie Heinrich der Seefahrer. Die Spieler bereisen von Lissabon aus den Erdball und entdecken Seegebiete bis nach Japan, um an Land Kolonien zu gründen und mit Rohstoffen handeln zu können. So weit, so bekannt, das hat man vom Thema her in Spielen schließlich alles schon mal gesehen. Und auch der Fokus auf Portugal und portugiesische Persönlichkeiten wird wohl kaum auf Anhieb für Begeisterungsstürme sorgen. "Navegador" muss ja thematisch auch nicht unbedingt überzeugen, sondern spielerisch. Und da versteht es der Autor, sein hohes Niveau zu halten.
Was soll also all der Terz um ein "Aktionsrondell"? Wie schon in den Spielen "Antike", "Imperial" oder "Hamburgum" wird das komplette Spiel über einen Kreis gesteuert, in dem alle zur Verfügung stehenden Aktionen aufgelistet sind. Und wie immer kann ein Spieler, der am Zug ist, kostenlos bis zu drei Schritte auf dem Rondell vorwärts ziehen, um sich eine der dortigen Aktionen auszusuchen. So kann man beispielsweise neue Schiffe und Arbeiter in Lissabon einsetzen, Werften, Kirchen oder Faktoreien bauen, Kolonien gründen (was natürlich alles Geld kostet), auf dem Markt handeln oder durch die Weltmeere segeln. Zu Beginn des Spiels sind nämlich alle Gebiete außer Portugal Terra Incognita, und müssen erst noch entdeckt werden. Doch hierfür muss man nur mit zwei Schiffen in ein neues Gebiet segeln – dann hat man nicht nur ein neues Meer entdeckt, sondern auch Positionen für mögliche Kolonien im angrenzenden Afrika, Amerika oder Asien.
Da die Geschwindigkeit, mit der die Welt entdeckt wird, den Spielverlauf nachhaltig beeinflusst, ist ein besonders cleveres Element die Navegador-Karte, mit der ein Spieler einen Extra-Segelzug durchführen kann – beispielsweise, um einem anderen Spieler eine begehrte Kolonie vor der Nase wegzuschnappen. Nach und nach entdecken die Spieler so mit ihren Schiffen die Weltmeere und neue Kolonien. Gleichzeitig treiben sie damit das Spiel seinem Ende zu, denn wenn Japan entdeckt wurde, endet die Partie.
Dann geht es wie immer darum, wer die meisten Punkte hat. Dabei machen die Schiffe, Arbeiter und das Geld, das man zum Schluss noch besitzt, nur Peanuts aus. Die meisten Punkte bekommt man für gegründete Kolonien, entdeckte Weltmeere und gebaute Faktoreien, Werften und Kirchen – je nachdem, worauf man sich spezialisiert hat. Im Laufe des Spiels kann man nämlich Privilegien erwerben, die einzelne Kategorien bei der Punkteausschüttung aufwerten. Beispielsweise ist jede gebaute Kirche zum Anfang des Spiels 3 Punkte wert, kann jedoch durch Aufwertungen bis zu 9 Punkte bringen. Dies hat zur Folge, dass man sich relativ früh auf einen bestimmten Bereich festlegt, den man aufbaut. Doch natürlich agiert man dabei nicht in einem Vakuum: Wenn ein anderer Spieler auch fleißig die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Kirchen baut, dann wird die Strategie – von denen es glücklicherweise mehrere gibt – am Ende des Spiels wahrscheinlich für beide nicht aufgehen. Manchmal gewinnt ein Spieler leider einfach deswegen, weil er in seiner Spezialisierung zu wenig Konkurrenz durch andere bekam.
Spannend wird die indirekte Interaktion zwischen den Spielern vor allem durch den Markt, in dem die Preise für Zucker, Gold und Gewürze muntere Berg-und-Tal-Fahrten durchlaufen. Hat man viele Zuckerkolonien, wird man auf dem Markt Zucker verkaufen: Der Preis sinkt. Hat man dagegen viele Zuckerfaktoreien, so wird man auf dem Markt Zucker veredeln: Der Preis steigt. Idealerweise versucht man also, auf das Gegenteil dessen zu setzen, was der rechte Nachbar macht. Sorgt der Mitspieler mit seinen Faktoreien dafür, dass der Preis für Gold häufig steigt, so investiert man selbst am besten in Goldkolonien und umgekehrt. So ergibt sich ein interessanter, einfacher Marktmechanismus, der in seinen Grundzügen ein bisschen an das geniale "Planet Steam" erinnert, ohne dabei Einsteiger zu überfordern.
"Navegador" ist ein rundum gelungenes Strategiespiel mittlerer Komplexität. Der Einstieg fällt leicht, die Spielgeschwindigkeit ist – Aktionsrondell sei Dank – hoch, eine Partie dauert selten viel länger als zwei Stunden und es gibt genug Raum, um unterschiedliche Strategien auszuprobieren. Gerdts' Aktionsrondell hat sich offensichtlich noch nicht abgenutzt. Aber so gern man den Mechanismus auch sieht, eine gewisse Eintönigkeit beginnt sich dabei doch einzuschleichen. "Navegador" erinnert trotz deutlicher Unterschiede schon sehr an "Hamburgum" und hat dazu auch noch die etwas schlechtere Ausstattung, wenn auch die Holzteile des Spiels und die grafische Gestaltung auf hohem Niveau sind. Dafür mag man das Thema Weltumseglung etwas spannender finden als Kirchenbau in Hamburg. Ob man "Hamburgum" nun schon kennt oder nicht: Strategiespieler sollten "Navegador" auf jeden Fall einmal ausprobieren, denn die Mischung aus Spieltiefe, -dauer und -geschwindigkeit funktioniert wunderbar – auch wenn man jetzt nicht gerade spielerisches Neuland betritt.