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Niemand hätte vor vier Jahren gedacht, dass "Portal", jenes kleine Spielchen, das eigentlich nur als Dreingabe für die ohnehin schon prall gefüllte "Orange Box" des Entwicklers Valve gedacht war, dermaßen durch die Decke gehen würde. Das Spiel faszinierte durch sein gewitztes Spielprinzip und durch seine simple, aber clever erzählte Story. Es begeisterte durch die famose Sprachausgabe und die schwarzhumorigen Sprüche der wahnsinnigen KI GLaDOS. Und es explodierte im Internet mit dem Song "Still Alive", mit dem Spruch "The cake is a lie!" und dem Companion Cube, die im Netz alle ein Eigenleben entwickelten und "Portal" dadurch Kultstatus verliehen. Kein Wunder, schließlich gab es vorher kein einziges Spiel, das mit "Portal" vergleichbar war … und das ändert sich genau jetzt, mit "Portal 2".
I'm not even angryViele, viele (viele) Jahre sind seit den Ereignissen von "Portal" vergangen. Chell, die stumme Protagonistin des letzten Spiels, ist nach einem langen Aufenthalt in Stasis immer noch in den Laboren von Aperture Science gefangen – jenes ominöse Unternehmen, das entstehen würde, wenn die Wissenschaftler des CERN jeglichen gesunden Menschenverstand fahren ließen und mit der Neugier kleiner Kätzchen alles erforschen würden, was ihnen vor die Pfoten kommt.
Die Labore haben sich in den hunderten Jahren Stasis-Schlaf der Protagonistin jedoch nicht sehr gut gehalten, sind überall rostend, im Zerfall begriffen und von Vegetation überwuchert. Wenigstens GLaDOS ist immer noch abgeschaltet – zumindest so lange, bis Chell und ihr nervöser Begleiter, der Persönlichkeitskern Wheatley, die allmächtige KI wieder erwecken, die natürlich nicht vergessen hat, wer sie vor so vielen Jahren zerstörte. Doch anstatt sich zu rächen, zeigt GLaDOS Größe – indem sie plant, Chell für den Rest ihrer Tage Tests durchführen zu lassen, während sie ihre Gefangene verhöhnt.
I've experiments to runUnverzichtbares Instrument für die Tests in "Portal 2" ist erneut die Portalkanone (Verzeihung: Aperture Science Handheld Portal Device) – jenes Gerät, das zwei verschiedene Punkte im Raum durch Portale direkt miteinander verbinden kann. Die ersten paar Tests sind hierbei noch nahezu eins zu eins aus dem ersten "Portal" übernommen, das an sich ja zu ca. 70 Prozent aus Tutorial bestand, um die ungewohnte Portalmechanik des Spiels behutsam einzuführen. "Portal 2" macht es nicht anders und bringt dem Spieler die Möglichkeiten der Portale behutsam näher – etwa jener Effekt, bei dem man sich aus großer Höhe in ein Portal hineinstürzt, um mit der gleichen Geschwindigkeit aus dem anderen herauszuschießen und so klaffende Abgründe zu überwinden. Für "Portal"-Profis ist das natürlich nur eine Aufwärmübung, bis zu dem Punkt der Geschichte, wo GLaDOS wieder erweckt wird. Ab dann führt das Spiel ständig neue Elemente ein, die in Kombination mit den Portalen knifflige Rätsel bilden. Da muss man Laserstrahlen (Verzeihung: Thermal Discouragement Beams) umlenken, sich von Katapulten (Verzeihung: Aerial Faith Plates) durch die Luft schleudern lassen und später mit verschiedenfarbigen Gels experimentieren, die den Spieler abstoßen, ihn beschleunigen oder Flächen für neue Portale bilden.
Look at me still talkingDerweil genießt man die erneut hervorragende Sprachausgabe, die dem Spiel erst so richtig Leben einhaucht. GLaDOS wirkt mit ihren fies-femininen Kommentaren (die sich nicht selten auf das Körpergewicht und das Aussehen der Protagonistin Chell beziehen) wie eine bizarre Mischung aus Superschurke und eifersüchtiger Ex-Freundin und haut einen köstlichen Spruch nach dem anderen raus. Anders als im ersten Teil gibt es jedoch noch anderthalb weitere Charaktere. In erster Linie ist das der nervöse, kleine Persönlichkeitskern Wheatley, der einen über Teile des Spiels hinweg begleitet. Später taucht außerdem noch der Gründer der Aperture Science Labore, Cave Johnson, auf – zumindest in Form uralter Aufzeichnungen, die den Hintergrund des wahnsinnigen Wissenschaftskomplexes aufklären. Im englischsprachigen Original gehört die Sprachausgabe mit zum Besten, was das Medium bisher hervorgebracht hat. Nicht nur die Gags der Figuren sitzen, in Zusammenarbeit mit den Animationen und der interaktiven Erzählweise verleihen die Sprecher ihren Charakteren bei allem Humor auch sowas wie Tiefe. Dadurch entsteht eine wendungsreiche und letztendlich auch rührende Geschichte, die es im Maßstab selbstverständlich nicht mit groß angelegten Epen wie "Mass Effect" aufnehmen kann, aber dafür auf einer ganz persönlichen Ebene wirkt. Das ist so geschickt gemacht, dass man lange Zeit gar nicht merkt, dass man die meiste Zeit wie eine Laborratte durch Testkammern geschickt wird.
Die deutsche Sprachausgabe gibt sich zwar redliche Mühe, diese Spielfreude in unsere Sprache zu übertragen, hat letzten Endes jedoch leider keine Chance – deswegen sei jedem Spieler wärmstens empfohlen, das Spiel auf Englisch zu spielen.
Maybe you'll find someone else to help youNachdem man die Kampagne durchgespielt hat, kann man dies entweder gleich noch ein paar Mal tun (einmal mit Audiokommentar, einmal auf Geschwindigkeit, einmal für die deutsche Sprachausgabe und einmal einfach so) oder sich wahlweise einen Freund, den eigenen Partner oder jemanden von der Straße schnappen, um den nicht minder unterhaltsamen Coop-Modus zu zocken. Erfahrene "Portal"-Spieler, die im Singleplayer-Modus keine echte Herausforderung vorfanden, sehen sich dann hier mit echten Kopfnüssen konfrontiert – kein Wunder, schließlich müssen beide Spieler nun zusammen mit vier Portalen denken anstatt nur mit zwei. Dabei sind einige der Rätsel und ihre Lösungen so haarsträubend, dass man seinem Partner beim Finden der Lösung sofort einen Handschlag geben möchte. Dies können die beiden schrulligen Roboter Atlas und P-Body, die von den Spielern gesteuert werden, dank eines implementierten Systems virtueller Gesten auch innerhalb des Spiels. Das ist (fast) völlig überflüssig, macht aber trotzdem einen Heidenspaß – und sei es nur für die neidisch-frustrierten Kommentare von GLaDOS ("Macht es Spaß, wenn ihr euch so degradiert?"). Per Steam, das zur Registrierung zwingend vorausgesetzt wird, kann man den Coop-Modus über das Internet und sogar mit Besitzern der PS3-Version spielen. Mit ein wenig
Hilfe kann man sogar den nicht offiziell unterstützten, aber im Quellcode vorhandenen Splitscreen-Modus spielen – und sich vor dem Rechner echte High Fives geben.
It's hard to overstate my satisfactionEs ist ziemlich schwer, Kritikpunkte für "Portal 2" zu finden. Okay, das Spiel legt zu häufig Ladepausen ein, gelegentlich kann es etwas frustrierend sein, nach Portalflächen zu suchen, Wheatleys Stimme und Charakter können auch in der Originalfassung nerven und das Spiel ist – wie bereits das erste "Portal" – ein bisschen zu kurz. Aber das heißt natürlich automatisch, dass man gerne noch mehr haben möchte. Zum Glück hat Valve gerade die Entwickler-Tools für das Spiel veröffentlicht und kostenlosen Downloadable Content für den Sommer versprochen. Vielleicht ist das eine Reaktion auf den Vorwurf der Abzocke, der hochkam, als das Entwicklerstudio im Vorfeld der Veröffentlichung von "Portal 2" die Spieler in einer groß angelegten Aktion dazu einlud, Indie-Spiele auf Steam zu kaufen und zu spielen, nur um den Veröffentlichungszeitpunkt um wenige Stunden vorzuverlegen. Doch weder das noch der im Spiel integrierte Shop für sinnlose Texturen und Gesten der Coop-Roboter stellten einen echten Zwang für die Spieler dar. Die Veröffentlichungsaktion kann man auch als Verbeugung vor der Independent-Szene verstehen, aus der "Portal" ja ursprünglich stammt.
I'm making a note here: HUGE SUCCESS!"Portal 2" ist ein ganz heißer Anwärter auf den Titel "Spiel des Jahres 2011" – ein einzigartiges Spiel, das die Hirn- und Lachmuskeln trainiert, das auf Gewaltdarstellung und -ausübung weitestgehend verzichtet, das stattdessen durch Charme, Cleverness und lückenloses Spieldesign überzeugt. Es führt eigentlich kein Weg drum herum: "Portal 2" muss man gespielt haben! Spielen Sie es für den rabenschwarzen Humor! Spielen Sie es für die abwechslungsreiche Geschichte und die grandiose Sprachausgabe! Spielen Sie es im Coop-Modus, um eine Freundschaft zu festigen, Ihre Beziehung zu retten oder neue Leute kennen zu lernen! Doch vor allem: Spielen Sie es
für die Wissenschaft!