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Die frankobelgische Comicserie "Thorgal" zählt zu den Klassikern des Genres. Bereits Ende der 70er Jahre legten der polnische Zeichner Grzegorz Rosinski und der in Brüssel geborene Autor Jean van Hamme gemeinsam den Grundstein einer heroischen Fantasy-Saga, die ihre Wurzeln in der nordischen Mythologie und den Wikinger-Legenden hat und die mittlerweile über 30 Bände umfasst. Nachdem Carlsen die Serie, die seit Ende der 80er dort in deutscher Übersetzung erschien, einstellte, hat die Reihe nun beim Splitter Verlag ein neues Zuhause gefunden. Dort erscheinen nicht nur neue Comicalben von "Thorgal" und ein Spin Off; die ursprüngliche Serie wird zudem im edlen Hardcover neu aufgelegt.
"Die Rache der Zauberin", dem ersten Album der vielbändigen Saga um "Thorgal", stürzt den Leser bereits mitten hinein ins Geschehen: Weil Thorgal sich in dessen schöne Tochter verliebt hat, will der grausame Wikingerkönig Gandalf den Skalden tot sehen. Eigenhändig kettet er den Recken an einem Felsen im Meer fest. Die ansteigende Flut soll seinem Leben ein qualvolles Ende bereiten. Doch kurz bevor Thorgal ertrinkt, taucht wie ein rettender Engel eine geheimnisvolle rothaarige Frau mit ihrem Wolf auf. Sie verrät ihm weder ihren Namen, noch woher sie kommt, bietet dem Verzweifelten jedoch einen gefährlichen Handel an. Wenn Thorgal ihr schwört, ihr ein Jahr lang treu zu dienen, wird sie sein Leben retten. Er ahnt nicht, dass die Fremde eine machtvolle Zauberin ist …
Wenn der Klappentext auch verrät, dass es sich bei Thorgal um einen Waisenjungen handelt, der von einem Wikingerstamm auf hoher See ausgesetzt gefunden wurde, so erfährt man im ersten Band der "Thorgal"-Saga nichts über den Hintergrund des Helden. Stattdessen präsentiert "Die Rache der Zauberin" auf 48 Seiten nicht eine, sondern gleich zwei phantastische Abenteuer um den nordischen Helden: Thorgal muss für seine geheimnisvolle Retterin gegen Riesen und Zwerge antreten. In einem weiteren Kurzabenteuer erwacht er nach dem Sturz in eine Gletscherspalte in einem faszinierenden Paradies, in dem er drei ungleiche Schwestern kennen lernt. Thorgal muss feststellen, dass es viel schwerer ist, dem Paradies zu entkommen als dorthin zu gelangen.
Auch wenn Rosinski und van Hamme ihrem Titelhelden einen germanischen Hintergrund geben, erinnern er und seine Erlebnisse in "Die Rache der Zauberin" stark an den wohl bekanntesten Helden heroischer Fantasy-Comics: Die Abenteuer, die Thorgal erlebt, könnten auch Conan dem Barbaren – wohlgemerkt in der Comicversion, weniger der Version der Buchvorlage – zustoßen. Der muskulöse Körperbau und das nachtschwarze Haar verstärken die Ähnlichkeit zu dem amerikanischen Pulp-Helden sogar. Da ist es überraschend, dass Rosinski und van Hamme Thorgal zu einem Skalden – einem Wikinger-Barden machen – und nicht zu einem Krieger.
Im ersten Band der Saga ist von einer sanften, musischen Seite Thorgals allerdings noch nichts spürbar. Den Zeichnungen, die Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre entstanden sind, merkt man ihr Alter deutlich an. Sie sie sind um ein vielfaches schlichter, mitunter auch grobschlächtiger als die frankobelgischen Comics von heute. Hintergründe werden oft nur angedeutet, die Bilder wirken flach, was auch an der teils starken und kontrastreichen Farbgebung mit wenig Schattierungen, teils an den verwaschen wirkenden Farben liegt. Auch hierin gleicht "Thorgal: Die Rache der Zauberin" stark den Conan-Comics der 70er und frühen 80er Jahre. Dennoch geht von den Zeichnungen und der Geschichte ein gewisser rauer Charme aus. Noch ist es zu früh, um ein umfassendes Urteil in Bezug auf die ganze Serie zu fällen. Dass der Splitter Verlag, der für qualitativ hochwertige Comics bekannt ist, sich der Reihe angenommen hat, deutet darauf hin, dass "Thorgal" sich mit der Zeit durchaus weiterentwickelt. Der rund zwanzigseitige redaktionelle Teil, der dem ersten Album hinzugefügt wurde, unterstreicht diese Vermutung. Darin stellt Splitter nicht nur das Zeichner- und Autorenteam von Thorgal vor, bietet einen Überblick auf die kommenden 31 Bände der Reihe sowie ein Interview mit Rosinski und ein Skizzenbuch, sondern darüber hinaus noch zahlreiche Informationen über das historische Leben der Wikinger und die nordische Mythologie. Das ist ungewöhnlich und höchst willkommen - und rettet dem Band einen Stern in der Gesamtwertung.
Dennoch lässt "Die Rache der Zauberin" einen anspruchsvollen Comicfan nach erstmaliger Lektüre zwiegespalten zurück. Zwar ist der Band vorbildlich aufgemacht und gewährt einen Einblick in die ersten Gehversuche einer erfolgreichen europäischen Comicreihe. Andererseits können die beiden Comicepisoden weder inhaltlich noch zeichnerisch mit dem heutigen Standard mithalten. Insofern stellt dieser Band 1 nur bedingt einen idealen Einstieg in eine vielbändige Serie dar.
Eine Leseprobe gibt es "hier"!