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Die verschlafene Kleinstadt Walden wird von einem auf den anderen Tag von einem merkwürdigen und äußerst beunruhigenden Phänomen heimgesucht: Dunkelheit senkt sich wie eine Glocke über den Ort und seine Bewohner, und eine noch viel undurchdringlichere Schwärze umschließt Walden wie eine düstere Barriere.
Zunächst tippen die verängstigten Bewohner auf ein Wetterphänomen oder eine außerplanmäßige Sonnenfinsternis, doch die Dunkelheit entpuppt sich als etwas viel, viel Schlimmeres. Wer sich über die Stadtgrenze hinauswagt, wird von ihr verschluckt – nur die Schreie der Unglückseligen, die es gewagt haben, dringen noch aus ihr heraus, dann folgt Stille. Niemand, der Walden verlassen hat, ist zurückgekehrt.
Auch der Pizzabote Robbie und seine Freundin Christy befinden sich zuhause, als sich die Finsternis über ihre Stadt herabsenkt. Und während die beiden noch Fluchtpläne entwickeln und versuchen, sich mehr schlecht als recht mit der neuen Situation zu arrangieren, bricht nach und nach das Chaos über das beschauliche Städtchen herein: Lebensmittel und Wasser werden knapp, die Elektrizität funktioniert nicht mehr, ebenso wenig Telefone, Internet, Radio oder Fernsehen. Auch die Menschen selbst beginnen sich zu verändern, werden gewalttätig und aggressiv; rasch geschehen die ersten Morde. Und auch Robbie und Christy spüren den unheilvollen Sog der Dunkelheit, die scheinbar die bösesten Seiten im Menschen hervorbringt …
Brian Keenes kleines Schauerstück "Das Ende der Straße" – ein ziemlich unpassender deutscher Titel – lässt sich in kürzester Zeit verschlingen, was zum einen am angenehmen und lässigen Schreibstil des bekannten Autors liegt, zum anderen an der unheilvollen Spannung, die düster und erstickend dicht greifbar ist und die sich immer weiter aufbaut.
Wer meint, den Inhalt bereits zu kennen und Vergleichbares schon zigmal gelesen haben, etwa in Stephen Kings "Der Nebel", dem nimmt Keene augenzwinkernd den Wind aus den Segeln, indem er eben dieses Werk von seinen Romanfiguren zitieren lässt. Auch die Tatsache, dass in Roman-Kleinstädten meist jeder jeden kennt und Städte in Horror-Romanen meist wunderbar beschaulich und altmodisch sind, führt Keene ad adsurdum und zeigt stattdessen eine weitaus realistischere Version der Gegenwart, in der man seinen eigenen Nachbarn nur vom Sehen kennt und in der es keinen urigen Gemischtwarenladen gibt, sondern nur einen Wal-Mart.
Die Bewohner von Walden sind nicht dumm, sie kennen ihre Popkultur und rennen nicht blindlings in die Dunkelheit hinaus, als hätten sie noch nie einen Horrorfilm gesehen. Statt besagtem Nebel ist es hier eine undurchdringliche Schwärze, die die Stadtbewohner einschließt und aus der bald Stimmen und Visionen zu den geschockten Einwohnern zu sprechen beginnen. Gleichzeitig verschärft sich die Lage in der von der Außenwelt vollkommen abgeschnittenen Stadt von Minute zu Minute. Während manche Menschen den Selbstmord wählen oder den Tod in der Dunkelheit vor der Stadtgrenze finden, kehren andere ihre schwärzesten Seiten nach außen, werden zu Plünderern, Vergewaltigern und Mördern. Ob dies typische Verhaltensweisen von Menschen in Extremsituationen sind oder ob es tatsächlich die Dunkelheit ist, die solche dunklen Seiten forciert, lässt Keene elegant offen, er lässt beide Überlegungen zu. Der Roman ist rasch ausgelesen und bietet ein Ende, das zwar nicht befriedigend, aber logisch ist.
"Das Ende der Straße" ist ein spannender, gut geschriebener Horror-Happen für zwischendurch, in dem Brian Keene viele Parallelen zu Genre-Klassikern zieht; es macht Spaß, die vielen Anspielungen auf andere Werke zu entdecken. Da der Roman sehr schnell ausgelesen ist, wirkt er ein wenig wie eine langgezogene Kurzgeschichte, das Ende der gut 350 Seiten ist rasch erreicht. Spannend, beängstigend und teils angenehm flapsig geschrieben: eine gute Horror-Erzählung über eine der ältesten Urängste des Menschen – und die Dunkelheit in seinem Inneren.