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Berlin ist groß, modern und stets voller Leben. Im Jahr 1911 wird "Die Nacht von Berlin", eine Revue in sechs Bildern, im Metropol aufgeführt. Was Rang und Namen hat, besucht das Theater und wandert hierbei wenigstens für eine Nacht im Kreis der Schönen und Berühmten. Dort beobachten wohlhabende bedeutende Herren mit ihren Ehefrauen oder anderen Damen ihrer Bewunderung die Vorstellung. Wobei das Geplauder während des Programms meist Vorrang vor dem hat, was auf der Bühne geschieht. Seit sich herumgesprochen hat, dass im Kreise der Theaterarbeiter und Darsteller Morde geschehen, erfreut sich das Metropol zusätzlicher Beliebtheit.
Diese etwas makabere Werbung für die Revue hatte der skrupellose Mörder wohl nicht im Sinn, doch tut das für ihn auch nichts zur Sache. Es scheint fast, als würde seine Verhaftung nie geschehen, denn die Polizei tappt entgegen allen Hinweisen im Dunkeln. Obwohl jeder einzelne der bisherigen Morde sorgfältig geplant war und detailreich ausgeschmückt wurde, besteht man im Präsidium darauf, dass die einzelnen Tode keinen Zusammenhang besitzen. Stattdessen sucht man die Mörder in den Reihen der Bekannten und verschmähten Liebhaber. Einzig der junge Ermittler Edmund Engel, der für alle Kommissare die Schreibarbeit erledigen muss, erkennt die vielen Zusammenhänge. Traurig nur, dass niemand seinen Worten Glauben schenkt, so dass er sogar fast damit rechnen muss, seine Karriere bei der Polizei zu beenden. Doch der Zufall will es, dass seine Worte doch noch Gehör finden.
"Die Nacht von Berlin" ist nicht nur eine Revue, sondern auch der Mordplan des ominösen Serienmörders, der seine Taten wie ausgefallene Kunstwerke aussehen lässt. Doch sein Handeln ist etwas zu modern und fortschrittlich für die eingefahrenen Kommissare, die stets nach den einfachsten Mordmotiven suchen und sich den erstbesten Verdächtigen zur Brust nehmen, den sie finden können. Zum Glück gibt es den Ermittler Engel, an dem die Kunstfertigkeit des Killer nicht verschwendet ist. Und was besonders interessant ist: Durch seine Aufmerksamkeit wird er mit der Zeit ein weiterer Bestandteil der Pläne des Mörders.
Ein wunderbarer Kriminalroman, der den Leser in eine Zeit entführt, die noch nicht allzu lange her ist, dennoch Welten entfernt scheint. Herbert Beckmann gelingt es, das Flair der großen Stadt und die Eigenheiten ihrer Bewohner aufs Treffendste darzustellen. Jede einzelne der Figuren wirkt glaubwürdig und lebendig, schon durch die unterschiedliche Sprechweise und die vielen Kleinigkeiten, die die Charaktere auszeichnen. Geradlinig entwirft der Autor sein Konstrukt und führt den Leser daran sicher wie an einer Leine die Geschichte entlang. Nur hin und wieder gibt es kurze Einblicke in die Gedankenwelt des Mörders, ehe man wieder an Engels Seite gegen die Windmühlen der begriffsstutzigen Vorgesetzten zu kämpfen hat. Diese Mischung aus Lokalkolorit, Spurensuche und Charakterstudie ist es, die den Leser an die Seiten fesselt und nicht loslässt, ehe er nicht bis ganz zu Ende gelesen hat.
Für Krimifans, denen die Erzählung noch wichtiger ist als blutrünstige Morde, ein kleiner Leckerbissen.