Jay ist für ein Austauschjahr in New York. Seine Mutter in Deutschland vermisst er nicht wirklich, genau genommen nerven ihn sogar die SMS, die sie ihm ständig schickt. Auch seine Stadt oder seine Freunde fehlen ihm nicht, er weiß, er gehört nach New York. Das war auch die Stadt seines Vaters. Der ist zwar bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen, trotzdem fühlt der Junge weiterhin eine starke Bindung zu ihm und bewahrt die alten Postkarten, die er von ihm bekommen hat, wie einen Schatz auf.

Es dauert nicht lange, da verliebt Jay sich in Madison, ein Mädchen aus seiner Schule. Und zu seiner Überraschung scheint sie sogar gerne auf seine Umwerbungen einzugehen, obwohl er sie anfangs als eher zurückhaltend wahrgenommen hat. Alles scheint sich gut zu entwickeln, bis er plötzlich anfängt ein anderes Mädchen namens Ivy wahrzunehmen, das außer ihm aber scheinbar niemand sehen kann. Sie wirkt wie ein magisches Wesen auf ihn und er fragt sich, ob er langsam verrückt wird. Als sich dann sogar die Realität zu verschieben scheint, zweifelt er endgültig an seinem Verstand. Ivy warnt ihn vor Madison und benimmt sich extrem merkwürdig. Und plötzlich verändert sich Jays Welt tatsächlich!

"Zweilicht" ist der neue Fantasyroman von Nina Blazon. Sie entführt ihre Leser in eine magische Welt, auch wenn sie am Anfang noch recht durchschnittlich wirken mag. Im Prolog bekommt man zwar schon einen Einblick in die Welt zauberhafter Wesen, die in die Träume der Menschen eintauchen können, dann wird das Geschehen aber erst mal deutlich weltlicher. Man begleitet Jay in seinen ganz normalen Schulalltag, lernt seine Familie kennen und erlebt mit, wie er sich verliebt. Es gibt da zwar eine Menge kleiner Andeutungen auf etwas Übersinnliches, so richtig intensiv wird dieser Part des Buches aber erst nach den ersten zweihundert Seiten. Dann allerdings versteht es Nina Blazon, ihre Leser dermaßen zu überraschen, dass man es kaum fassen kann. Es gelingt ihr über eine erstaunlich lange Zeit, einen in die Irre zu führen. Das begeisterte Staunen, wenn man endlich durchschaut, was geschieht, ist danach umso größer.

Das Tolle ist, dass der Roman zwar erst den Eindruck eines durchschnittlichen Fantasyromans mit der typischen Dreiecks-Liebesgeschichte liefert, sich dann aber komplett wandelt. Natürlich hat er viele klassische Elemente eines Fantasy-Jugendromans, diese hat die Autorin so geschickt mit neuen Variationen vermischt, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Man taucht ein in eine Welt voller Magie und Wesen, wie man sie vorher noch nicht in der Literatur getroffen hat. Es bleibt sogar bis zuletzt ein wenig verschwommen, worum es sich bei diesen Wesen genau handelt oder woher sie kommen, was die geheimnisvolle Aura, die sie umgibt, noch verstärkt.

Sehr angenehm ist auch, dass es keine stereotype Gut-Böse-Abgrenzung gibt. Niemand ist hier dem einen oder anderen Lager zuzuordnen. Ganz im Gegenteil haben jeder Mensch und jedes magische Wesen so viele Facetten, wie man das aus dem realen Leben kennt. Das wirkt nicht nur authentischer, sondern macht auch die Handlung noch weniger vorhersehbar.

Das einzige, was dem Buch vielleicht fehlt, ist ein großer Abschlusskampf mit dem Endgegner, auf den oft Bezug genommen wird. Hier hätte man einen etwas fulminanteres Showdown erwartet, auch wenn es durchaus nicht unspannend ist, was man geboten bekommt.

Letztendlich muss man sagen, dass es ein wenig schwer ist, einem zukünftigen Leser das Buch schmackhaft zu machen, ohne zu viel zu verraten, weil sich die Handlung einfach sehr stark verändert und man die Überraschung nicht vorwegnehmen will. Man darf aber eine wirklich außergewöhnliche Welt, starke Charaktere und viele Überraschungen erwarten. "Zweilicht" ist mit Sicherheit einer der besten Jugendfantasyromane des Jahres, der Erwachsenen ebenso viel Spaß machen wird wie jungen Lesern.

Hinweis: Auf der Verlagswebseite findet man eine Leseprobe, Lesermeinungen und mehr.