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Ein Brettspiel über die Entwicklung der italienischen Sprache? Schon das Thema von "De Vulgari Eloquentia" des italienischen Spieleautors Mario Papini lässt aufhorchen. Endlich werden mal keine Kathedralen gebaut, Inseln besiedelt oder Kolonien erobert - "De Vulgari Eloquentia" entführt seine zwei bis fünf Spieler vielmehr in das Italien des Mittelalters, wo sich aus den verschiedenen spätlateinischen Dialekten das Italienische, das Volgare, herausbildet, in dem Dante Alighieri seine Göttliche Komödie und Franz von Assisi seinen Sonnengesang verfasste.
Die Spieler werden nun Teil dieses Prozesses. Als Kaufleute beginnen sie ihre Reise durch Italien und versuchen dabei, zur Entwicklung und Vereinheitlichung des Volgare beizutragen. Dabei bewegen sich ihre Figuren über einen bildschönen Spielplan, eignen sich Manuskripte in verschiedenen Regionen an, widmen sich dem franziskanischen Sonnengesang und versuchen Einfluss über Adelige, Politiker, Äbtissinnen und Schreiber zu erlangen. Das Spiel ist dabei in 14 bis 16 Runden unterteilt - am Ende steht eine Papstwahl, bei der die Spieler ihren Einfluss geltend machen können. Gesammelt werden müssen aber vor allem Volgare-Punkte - sie allein entscheiden am Ende über Sieg oder Niederlage, denn sie zeigen an, wie stark ein Spieler bei der Entwicklung der Sprache beteiligt war.
Die Volgare-Punkte können auf verschiedenem Weg errungen werden, einerseits über Manuskripte aus verschiedenen Sprachregionen (im Norden etwa die D'Oil-Sprache, im Süden die sizilianische), andererseits durch verschiedene Missionen. So können die Spieler etwa das Rätsel von Verona lösen (eine besonders lukrative Schrift erforschen), sich in der päpstlichen Bibliothek umsehen oder Franz von Assisi beim Sonnengesang helfen. Dazu verteilen die Spieler fünf Aktionsmarker (violette Holzpöppel) auf den Aktionsfeldern neben der Italienkarte.
Neben den genannten Missionen kann man auf diese Weise auch seinen Geldvorrat aufstocken (kleine Geschäfte), sich Einfluss auf Adelige, Politiker, Äbtissinnen und Schreiber verschaffen (in Form kleiner Holzklötzchen), seine Bewegungsreichweite erhöhen oder sich in bessere Position in der nächsten Runde bringen. Das Schöne an der Sache ist: Es gibt wirklich eine Menge unterschiedlicher Wege, an Volgare-Punkte zu gelangen. So kann man das Spiel durchaus als fleißiger Kaufmann bestreiten, der die Schriftentwicklung finanziert, oder aber den klerikalen Weg einschlagen und sich zum Ordensbruder weihen lassen - womit man zwar weniger Geld zur Verfügung hat, dafür aber andere Vorteile genießt. Sogar der Aufstieg zum Kardinal ist möglich, wobei unter verschiedenen Kardinalsplättchen mit saftigen Boni ausgewählt werden kann. Auch lassen die verschiedenen Aktionen jede Menge unterschiedlicher Taktiken zu, wobei es immer wichtig ist, in welcher Region man sie ausführt, und in jeder Runde werden unterschiedliche Missionen freigeschaltet, so dass jedes Spiel ein wenig anders verläuft.
Zugleich ist Mario Pagini die Spielatmosphäre sehr gut gelungen. "De Vulgari Eloquentia" spielt sich ruhig und taktisch; direkte Interventionen gegen die Mitspieler sind nicht möglich, wobei man ihnen natürlich - vor allem bei höherer Spielerzahl - Missionen wegschnappen kann oder sich durch geschickte Planung Manuskripte aneignet, die auch die anderen Spieler gerne gehabt hätten. Und bei der Papstwahl am Ende, wo Kaufleute zu Bankiers und Kardinäle sogar zum Papst aufsteigen können, herrscht natürlich doch ein Hauen und Stechen ...
Die Spielmaterialien sind alle recht wertig und solide - die Spielfiguren sind aus Holz, die anderen Materialien (Geld, Manuskriptkärtchen) aus fester Pappe. Der bildschöne Spielplan verfügt über eine selbsterklärende Symbolik und hilft dabei, manche Unklarheit des Regelhefts auszuräumen. Denn dies ist eine große Schwäche von "De Vulgari Eloquentia": Die gedruckten Spielregeln sind mangelhaft, die Abbildungen dürftig, der Aufbau gleicht einer mittleren Katastrophe. Bis man hinter die eigentlich sehr durchdachte Spielmechanik gestiegen ist, vergeht eine halbe Ewigkeit. Sobald man sie aber erlernt hat, entfaltet sich der ganze Zauber dieses wirklich originellen Spiels.
Fazit: Trotz der überholungsbedürftigen Regelerklärung überzeugt "De Vulgari Eloquentia" durch ein sehr durchdachtes, taktisches Spiel, seine Aufmachung und die liebevolle Umsetzung des Themas. Ein Brettspiel, das sich wirklich von anderen abhebt und ein echter Geheimtipp aus dem Hause Lookout Games!