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 Shadowmarch, Band 4: Das Herz


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Hunderte von Seiten lang haben die Haupt- und Nebenfiguren in Tad Williams' Shadowmarch-Reihe bereits gekämpft und gelitten, sind entführt worden, geflohen, haben finstere Pläne geschmiedet oder sich verzweifelt gegen das Böse zur Wehr gesetzt. Nun endlich ist das große Finale gekommen: In Band vier von "Shadowmarch", der den Titel "Das Herz" trägt, lässt der Autor alle Fäden zusammenlaufen und schickt alle Beteiligten zurück dorthin, wo die Geschichte begann: nach Südmarksburg, oder vielmehr in die Tiefen, die unter der Burg liegen. Dort, in jenem Heiligtum, das die Funderlinge als den Leuchtenden Mann verehren, kommt es zum alles entscheidenden Kampf ...

Lange haben die Leser mit den Eddon-Zwillingen, mit Hauptmann Vansen, mit Qinnitan und Matty Kettelsmit mitgefiebert. Nun endlich ist das große Finale da, aber bevor es soweit ist, schickt Tad Williams den Leser erst mal durch einige hundert Seiten, in denen recht wenig passiert. Mit den fremdartigen, elbenhaften Qar, die sehr stark an die Sithi aus der Großen-Schwerter-Saga erinnern, ist man nie so recht warm geworden. Nun gibt es erst einmal einige sehr zähe Szenen, in denen es um Barrick Eddon und den Pakt der Feuerblume geht. Das ist relativ versponnen und, man muss es leider zugeben, langweilig, denn auch von Barrick hat man sich Stück für Stück entfremdet, seit er den Qar immer ähnlicher geworden ist.

Viel interessanter sind da die Kapitel, die weniger abgehoben sind und dadurch wesentlich mehr Spannung, Gefühl und Empathie mit den Figuren hervorrufen können als die undurchsichtigen Qar-Passagen. Wie in den anderen drei Bänden auch, springt Williams wieder sehr stark zwischen den einzelnen Charaktere hin und her und führt sehr viele Erzählstränge in recht langsamem Tempo weiter. Qinnitan ist weiterhin auf der Flucht vor Daikonas Vo, der innerlich von dem Feuer zerfressen wird, das der Autarch von Xis ihm mit einem grauenhaften Parasiten eingepflanzt hat. Der Autarch wiederum ist mit seinem wertvollen Gefangenen, König Olin, und einer unvorstellbar großen Armee auf dem Weg in die Südmark und zum Heiligtum unter der Südmarksburg. Sulepis, der "Goldene", hegt einen so größenwahnsinnigen wie fatalen Plan, der den Untergang der Welt bedeuten könnte.
Währenddessen ist auch Briony Eddon auf dem Weg zurück in ihre Heimat, und zwar in Begleitung des rechtschaffenen Prinzen Eanas. Briony, die sich im Verlauf der letzten sechs Monate völlig verändert hat, will vor allem eins: Rache an dem Verräter Hendon Tolly, der derweil einen eigenen Plan ausheckt, welcher nicht minder teuflisch ist als der des Autarchen von Xis. Und unter der Südmarksburg kämpft Ferras Vansen Seite an Seite mit den Funderlingen ums nackte Überleben ...

Man sieht es an dieser groben Zusammenfassung: Tad Williams fährt noch einmal alles auf und schickt sämtliche Personen, ob Qar, Funderlinge, Menschen, Dachlinge, Skimmer oder Götter – denn vor allem um Götter geht in diesem vierten Teil – in den großen Kampf, der das Schicksal aller entscheiden soll. Und obwohl die Handlung sorgfältig geplant ist und Williams wie immer großartige Kampfszenen beschreibt, enttäuscht der vierte Band ein kleines bisschen. Der Grund: Es geht nur äußerst schleppend voran. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass drei Bände hier definitiv besser gewesen wären als vier. Wie bereits beschrieben, sind die Qar auf lange Sicht eher uninteressant, es gelingt Williams nicht, sie ähnlich berührend und lebendig zu gestalten wie die Sithi in seinem älteren Fantasy-Epos. So fällt es einigermaßen schwer, sich mit der Stachelschweinfürstin Yasammez, mit Königin Saqri und deren rätselhaftem Gebaren zu identifizieren. Auch die langen Passagen, in denen Briony in Begleitung von Prinz Eanas auf dem Weg in die Südmark ist, wissen nicht so recht zu fesseln.

Großartig und unglaublich unterhaltsam sind wiederum die bösen Charaktere - heimlich sympathisiert man schon fast mit ihnen, weil sie Schwung in die Geschichte bringen: Der irre Gottkönig Sulepis ist einfach genial diabolisch, Daikonas Vo ist nicht mehr Herr seiner Sinne und daher doppelt interessant, und auch der intrigante, gewissenlose und gewalttätige Hendon Tolly bringt mit seinen grausamen Taten weitaus mehr Leben in den Roman, als es die "guten" Charaktere können. Im Grunde genommen besteht Band 4 von Shadowmarch nach einem Vorgeplänkel nur aus einer einzigen, mehrere hundert Seiten andauernden Schlacht, die in mehrere kleine Häppchen und Schauplätze aufgeteilt ist. Das ist durchaus mitreißend, aber nicht besonders abwechslungsreich.

Was am Ende bleibt, ist im Ganzen betrachtet eine wirklich sehr gute Fantasy-Saga – Tad Williams kann wunderbare Charaktere erschaffen und großartige, von langer Hand geplante Szenarien entwerfen. Insgesamt kann aber "Shadowmarch" nicht mithalten mit der Schwerter-Saga – der Vergleich drängt sich ja zwangsläufig auf -, denn wo Simons Odyssee stets abwechslungsreich, dramatisch und hochspannend war, besitzt "Shadowmarch" doch einige Längen und ermüdende Passagen, vor allem dann, wenn es um den Pakt der Feuerblume geht. Leider flacht die Reihe von vorne nach hinten etwas ab, statt stetig an Spannung zuzunehmen - die ersten beiden Bände sind extrem detail- und actionreich und man fiebert beim Lesen durchgehend richtig mit, Band 3 und 4 ziehen sich dann passagenweise in die Länge.

Dennoch: Für Fans von High Fantasy ist Tad Williams' "Shadowmarch"- Tetralogie auf jeden Fall lohnenswertes Lesefutter. Die vier Bände bringen es zusammen auf über 3000 Seiten – genug fantastischer Lesestoff also für einen kühlen Herbst und langen Winter! Wie auch bei den drei Vorgängerbänden überzeugt die hochwertige Hardcover-Ausgabe aus dem Klett-Cotta Verlag. Das Buch hat ein Lesebändchen; im Anhang finden sich erneut Verzeichnisse von Personen, Orten, Dingen und Göttern, die die Orientierung erleichtern.

Auf der Website von Klett-Cotta gibt es eine Leseprobe: "Shadowmarch - Band 4: Das Herz"

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 24. August 2011 | ISBN: 978-3608937206 | Originaltitel: Shadowheart | Preis: 24,95 Euro | 878 Seiten | Sprache: Deutsch

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