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In San Giuda ist ein schlimmes Unglück passiert. Normalerweise ist in dem kleinen Dorf nie etwas Spektakuläres los, aber dieses Ereignis wirft das Leben aller Bewohner durcheinander. Alles fängt damit an, dass der leere Schlitten von Beppe nur gezogen von einem panischen Pferd ankommt. Als der Priester des Ortes, Don Ermente, sich mit zwei weiteren Männern auf den Weg macht, um herauszufinden, was mit Beppe und den Touristen passiert ist, die er normalerweise mit dem Schlitten transportiert, stoßen sie auf einen grausigen Fund. Die Menschen leben nicht mehr, sie finden elf Leichen. Für Don Ermente bricht seine Glaubenswelt zu einem Teil zusammen und um sich selbst und vielleicht auch Hilfe zu finden, wendet er sich an die junge Psychologin Giovanna. Gemeinsam versuchen sie dem Rätsel um die Toten auf die Spur zu kommen, was mehr als schwierig ist, denn es scheint keine Gemeinsamkeiten bei den Morden zu geben, wenn es denn überhaupt Morde waren. Jeder der elf Menschen ist aus einem anderen Grund gestorben und davon ist einer seltsamer als der andere.
Don und Giovanna tauchen immer tiefer in eine Welt voller einzelner Individuen ein, denn ihre Forschungen beschränken sich hauptsächlich auf das Dorf. Hier scheint sich der Ursprung des Rätsels zu befinden. Bei ihren Nachforschungen stoßen die beiden auf viele Geheimnisse und zwischenmenschliche Probleme. Das Dorf verbirgt mehr, als sie bisher glaubten ...
Den Roman "XY" von Sandro Veronesi zu kategorisieren fällt schwer, er bewegt sich zwischen den Grenzen. Ein echter Krimi ist es nicht, auch wenn er im ersten Augenblick den Anschein macht. Es gibt auch mystische Elemente, echte Mystery ist es aber auch nicht. Am ehesten kann man den Roman vielleicht als literarisch-psychologisches Experiment beschreiben.
Dabei wechselt sich immer ein Don-Kapitel mit einem Giovanna-Kapitel ab. Beiden Figuren ist eine ganz eigene und individuelle Schreibweise zugeteilt. Während die Kapitel des Priesters sehr klar wirken und er sich seiner selbst ständig äußerst bewusst zu sein scheint, ist die Psychologin sprunghaft und nervös. In ihren Kapiteln finden sich Erinnerungen, völlig unsortiert wirkende Texte, stellenweise ohne jedes Satzzeichen und viele reine Gespräche. Letztere kommen komplett ohne das typische "sagte er" aus. Es wird nur ein gesprochener Satz nach dem anderen gezeigt.
Schnell wird klar, dass "XY" keine schnelle Krimi-Unterhaltung für zwischendurch ist, ja nicht mal eine leichte Unterhaltung, denn der Leser muss sich dem Buch sehr intensiv widmen und bereit sein, sich auf das hier Geschriebene intensiv einzulassen. Das fällt oft nicht leicht, denn es gibt keine eigentliche Handlung. Das Rätsel um die elf Leichen rückt mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund, während die einzelnen Charaktere immer wichtiger werden. Das Buch beschäftigt sich mit den Abgründen, die sich in einem so kleinen Dorf wie San Giuda auftun können. Um da den Überblick zu behalten, muss der Leser jedoch mit sehr viel Konzentration dabei bleiben.
Mit das größte Problem dieses Buches ist, dass die Geschichte am Ende schlicht nicht befriedigend abgeschlossen wird. Es bleiben zu viele Fragen offen, um den Roman wirklich als "beendet" beiseitelegen zu können. Ganz im Gegenteil fühlt man sich sogar ein wenig um eine Lösung betrogen, auch wenn dank des Klappentextes eigentlich schon von Anfang an bekannt war, dass es eine solche wohl nicht geben wird.
"XY" ist harte, literarische Kost und anstrengend zu lesen. Wer sich darauf einlassen kann und begeistert von ungewöhnlichen Schreibexperimenten innerhalb eines Romans ist, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Wer einen Pageturner und einen klassisch zu lösenden Mordfall erwartet, wird jedoch schwer enttäuscht werden.
Auf der Verlagswebseite steht eine Leseprobe zur Verfügung. Sehr spannend ist außerdem die eigens für das Buch eingerichtete Seite: http://www.xy-roman.de/ inklusive Buch-Trailer, Personenbeschreibungen, Landkarte und vielem mehr.