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Deutschland zum Ende des 12. Jahrhunderts: Die Menschen hören auf das, was der Adel mit dem Schwert ihnen diktiert - doch auch sie beugen ihr Knie vor der Kanzel des Klerus, wenn es um ihr Seelenheil geht. Kein Wunder, dass ein Kreuzzug den nächsten jagt, mit dem die adligen Herren sich ihrer Sünden entledigen wollen. Leider macht dieser Fanatismus auch vor den eigenen Hallen keinen Halt; vor allem die Juden wissen davon ein Klagelied zu singen, wenn sie wieder einmal einem christlichen Mob zum Opfer gefallen sind …
Der Minnesang jedoch wird nur von einem Mann dominiert: Walther von der Vogelweide, der mit den Regeln bricht und seine Worte zu Waffen werden lässt, und wehe dem, den er aufs Korn nimmt, denn schon bald pfeifen die Vögel seine Lieder von den Dächern eines jeden Hauses. Er spricht aus, was andere nur zu denken wagen, er raubt dem Minnesang die Keuschheit, fordert er doch Liebe, die auch erwidert wird - Worte, die anderen in diesen Zeiten den Tod bringen würden. Walther will durch seine Lieder die Welt verändern …
Doch nicht nur der Minnesänger hat große Pläne, die jüdische Ärztin Jutta will ebenfalls die Welt verändern und läuft auf ihrem Weg daher mehr als einmal Walther von der Vogelweide über den Weg, denn dort, wo die Mächtigen weilen, dort entscheidet sich das Schicksal der Welt. Doch sind sich die beiden oft nicht einig - mal sind sie Verbündete, mal verbitterte Gegner, obwohl sie doch so viel verbinden könnte …
"Das Spiel der Nachtigall" ist der neueste historische Roman aus der Feder von Tanja Kinkel. Mit diesem Band heftet Kinkel sich an die Fersen des Minnesängers Walther von der Vogelweide. Doch nicht nur er gibt hier den Ton an, auch eine jüdische Ärztin entpuppt sich als gleichwertige Figur in diesem Buch.
Die erste Überraschung dürfte den Leser mit der einfachen Tatsache treffen, dass Walther von der Vogelweide ihm zwar sehr wohl ein Begriff sein dürfte, es aber längst nicht jedem bekannt ist, dass dieser ein Pionier seiner Zeit war, der auch vor politischen Themen keinen Halt machte - eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass Minnesänger von den hohen Herren abhängig waren.
An der Seite dieser Figuren wird man durch das 12. Jahrhundert geführt - eine Zeit der Kreuzzüge, die nur zu oft scheiterten, bevor sie überhaupt das Gelobte Land erreichten, da die Teilnehmer zuvor Seuchen oder kriegerischen Handlungen zum Opfer fielen. Wen verwundet es da, dass auch die Oberhäupter, in diesem Fall die des Deutschen Reiches, schneller wechseln, als ihnen gut tut - da ein eindeutiger Nachfolger zur Rarität wird. Und während den einfachen Bürgern so gut wie egal ist, wem sie nun letzten Endes ihre Steuern zahlen müssen, setzen die Reichen und Mächtigen alles daran, noch reicher und mächtiger zu werden, und verwüsten bei ihren Streitereien das Land.
Die Hauptfiguren Walther und Judith entpuppen sich hierbei als Schachfiguren in diesem Spiel, die eingesetzt werden, um die Geschicke des Reiches zu beeinflussen. Und obwohl die Autorin dafür sorgt, dass sich die Wege der ungleichen Figuren sich immer wieder kreuzen sind, sind sie oft genug getrennt, um verschiedene Perspektiven auf die aktuelle Lage zu geben. Doch bei zwei Parteien herauszufinden, welche im Recht ist und welcher Mann wohl der rechte Herrscher für das Deutsche Reich sein kann, ist schwer zu sagen. Auch die Protagonisten müssen dies herausfinden und das Buch erlebt dadurch einige interessante Wendungen.
Abgerundet wird das Ganze durch eine Karte des Deutschen Reiches und des Kirchenstaats um 1200 zu Anfang und Endes des Buches. Außerdem bietet der Roman ein 'Dramatis Personae', ein Nachwort sowie eine Bibliografie.
So macht Geschichte Spaß und wird dem Leser lebendig und spannend näher gebracht - eine klare Leseempfehlung für dieses Werk von Tanja Kinkel, die immer wieder aus einer authentisch wirkenden Mischung aus Fakten und Fantasie eine mitreißende Geschichte zaubert!
Eine Leseprobe ist auf der Verlagsseite zu finden.