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Als Anfang 2011 das tunesische Volk aufstand und sich seines Präsidenten entledigte, ahnte wohl niemand, dass sich aus diesem Umsturz ein Flächenbrand in der arabischen Welt entwickeln würde, der weitere diktatorisch regierende Staatsoberhäupter die Macht, im Falle Libyens sogar das Leben kosten würde, und in den anderen Ländern dieser Region zumindest die Möglichkeit eines Macht- beziehungsweise Systemwechsels aufzeigte.
Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, geht in seinem Buch "Der Aufstand" den Ursachen dieses "Arabischen Frühlings" nach, er berichtet über die Vorgänge, wobei er häufig auch Augenzeugen und bedeutende Persönlichkeiten einbezieht und zitiert, und versucht einen Ausblick auf künftige Entwicklungen.
Auf ein einleitendes Kapitel, das sich mit den Hintergründen befasst, folgen Berichte über die Revolten in den einzelnen beteiligten Ländern, ein weiterer Abschnitt untersucht die Perspektiven hinsichtlich der gesamten Region, und im abschließenden Kapitel betrachtet der Autor die europäische Politik gegenüber der arabischen Welt.
Natürlich haben die politisch interessierten Menschen in Europa mit Spannung die Umbrüche in Tunesien, Ägypten und Libyen und die Demonstrationen in den anderen arabischen Ländern verfolgt, dennoch sind die Hintergründe und Auslöser, sofern sie überhaupt wahrgenommen wurden, teils bereits in Vergessenheit geraten. Doch gerade diese sind in der Rückschau äußerst interessant, insbesondere, wenn man die Ereignisse in den einzelnen Staaten vor der Gesamtentwicklung betrachtet.
Allgemeinverständlich, auch für Menschen, die sich zuvor nicht mit der Politik und den sozialen und wirtschaftlichen Problemen und Eigenheiten der arabischen Staaten befasst haben, erläutert der Autor, wie es zum "Arabischen Frühling" kam und wie dieser ablief – im Ganzen wie im Einzelnen, und das macht dieses Buch besonders interessant; ebenso aber die Einbeziehung von Israel und dem Iran, die nicht eigentlich zu den arabischen Ländern gehören, mit diesen aber auf vielfältige Weise verbunden sind. Dasselbe gilt für die Türkei, deren Bedeutung im Nahen Osten sich im Zuge des Aufstandes ebenfalls verändert hat.
Perthes betont vor allem die Rolle des Internets und diesbezüglich noch einmal gesondert jene von "Facebook" für die einzelnen Revolutionen und deren Ausbreitung und erklärt, dass in den arabischen Gesellschaften mit ihrem hohen Anteil an jungen Leuten, die zunehmend gut gebildet, vernetzt, doch ohne angemessene Arbeit sind, eine Revolution von dieser Gruppe ausgehen musste – und wie andere Gesellschaftsgruppen und –schichten ebenfalls hineinfanden und sich mit dieser empörten Jugend solidarisierten. Auch auf die Bedeutung des Satellitensenders Al-Jazeera geht der Autor ein. Der Leser lernt zudem die unterschiedlichen politischen Gruppierungen und deren Intentionen kennen und zwischen ihnen zu unterscheiden.
Ein Buch über einen Umbruch, der noch längst nicht abgeschlossen ist, und auf den möglicherweise weitere Umwälzungen folgen werden, läuft natürlich Gefahr, rasch seine Aktualität einzubüßen. Perthes gelingt es, ein Werk vorzulegen, das aufgrund seines wenig spekulativen Charakters hinsichtlich künftiger Entwicklungen gewissermaßen zeitlos bleibt und dem Leser eine Kette zweifellos wichtiger zeitgeschichtlicher Ereignisse in einer uns Mitteleuropäern recht fremden, dennoch bedeutsamen Region zusammen mit ihren Hintergründen anschaulich und dabei sachlich erläutert.
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