Tirzah und ihr Vater Druse sind Glaskünstler. Durch die Spielsucht des Vaters sind sie beide in die Sklaverei geraten. Doch aufgrund ihrer herausragenden handwerklichen Fähigkeiten werden sie gut behandelt. Für den Bau einer Pyramide in Ashdod benötigt man eine Menge an Sklaven, die mit Glas umzugehen verstehen. So kommt es, dass Tirzah und ihr Vater mitten in die größte Baustelle in Ashdod geraten. Seit vielen Generationen schon arbeitet man an der Fertigstellung dieser Pyramide. Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sie mit Glas ausgekleidet werden soll.

Dieses Glas enthält Schriftzeichen und magische Symbole, die den Zauber des Bauwerks vervollständigen sollen. Die Magier, die den Bau überwachen, versprechen sich davon große Macht und vielleicht sogar Unsterblichkeit. Ihr Meisterwerk soll für alle Zeiten die Überlegenheit der Mathematik beweisen und ihnen die Möglichkeit zur Vereinigung mit der großen Eins, der bedeutendsten aller Zahlen, geben. Ist es einmal fertig gestellt, gibt es nichts, was sie noch aufhalten könnte, und so fiebern sie ungeduldig dem Tag der Fertigstellung entgegen.

Doch die Magie der Zahlen ist nicht das Erstaunlichste, mit dem Tirzah in Berührung kommt. Schon immer ist ihr die Arbeit mit dem Glas leicht gefallen. Sie spürte, wie viel es noch ertragen konnte und welche Dinge sie aus ihm fertigen könnte. Es ist, als würde es zu ihr sprechen. In der Werkstatt der Sklaven lernt sie andere Handwerker kennen, denen es ebenso geht. Ihr Liebhaber Yaquob ist einer davon. Er führt sie in die Geheimnisse des Elementarismus ein und lehrt sie, das Glas noch mehr und inniger zu verstehen. Doch ihre Existenz ist gefährdet, da sie alle des Todes wären, wenn herauskäme, dass sie Elementaristen sind.

Als sich der Magier Boaz für Tirzah interessiert und sie zu sich ins Bett holt, fürchtet sie, er würde ihre Tarnung entlarven können. Doch mit der Zeit spürt sie, dass dieser verhasste Zauberer ihre letzte Rettung darstellt. Denn der Tag der Fertigstellung rückt immer näher und schon jetzt kann man fühlen, dass das, was in der Pyramide erwacht, nichts Gutes im Sinn hat. Die Pyramide hat Blut geleckt und Menschen getötet und wenn man sie nicht aufhält, wird sie immer gieriger werden. Der einzige, der sie aufhalten kann, ist Boaz, und Tirzahs Aufgabe ist es, ihm klar zu machen, was seine Bestimmung ist.

Schon in ihrem Epos "Unter dem Weltenbaum" entführte uns Sara Douglass in eine fantastische Welt voller Leben und Abenteuer. Und auch in ihrem neuen Roman beweist sie, dass ihre Kreativität noch lange nicht erschöpft ist. Mit dem Land Ashdod erschafft sie eine Welt, die nicht viel anders ist als unsere. Die Magier sind gelehrte Männer, die die Welt durch die Zahlen erklären. Aus ihnen gewinnen sie Macht und Ansehen. Dieser kühlen Herrschaft stehen die Elementaristen entgegen, da sie die Gefahr heraufziehen spüren. Sie sind mit der Gabe gesegnet, die Soulenai im Glas zu hören.

Tirzah, die junge Glasmacherin wächst dem Leser schnell ans Herz. Einfühlsam wird ihr Schicksal, das sie in die Sklaverei führt, beschrieben. Auch die anderen Figuren des Romans stecken voller Leben und besitzen eine eigenständige Persönlichkeit. Mit wenigen Worten schafft es die Autorin, von jeder Person ein Bild vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen. Durch die drohende Gefahr im Hintergrund und die zwiespältige Figur des Magiers Boaz entsteht Spannung, die einen nicht mehr loslässt.

Es ist schön, dass es fantastische Bücher gibt, die eine spannende und packende Geschichte erzählen können, ohne eine komplett andere Welt mitsamt ihren Fabelwesen entstehen zu lassen. Durch recht wenige Veränderungen verwandelt sich unsere Realität in die fantastische Welt von Ashdod. Hier finden sich Magie, Ungerechtigkeit, Dekadenz, Liebe und Verzweiflung. Die Hauptfigur ist sehr sympathisch und wuchs mir schnell ans Herz. Deswegen wurde ich auch sehr von der Geschichte mitgerissen. Lediglich einige gefühlvolle Szenen wirken etwas kitschig, was aber dem Buch an sich keinen Abbruch tut. Begeisterten Lesern von Fantasy möchte ich diesen Roman ans Herz legen. Denn auch ohne Orks und Drachen kann man fantasievolle Geschichten erzählen.